29.04.2022

Elektronische Haut wird empfindlicher

Komplexe Magnetsensoren imitieren Funktion von feinen Härchen.

Einem Forschungsteam aus Chemnitz und Dresden ist ein großer Schritt bei der Weiter­entwicklung empfindungs­fähiger elektronischer Haut mit inte­grierten Härchen gelungen. Während man in der Regel kleinste Berührungen der Härchen auf dem Arm spüren und auch die Richtung der Berührung zuordnen kann, gelang es technologisch bisher nicht, die Richtung taktiler Einflüsse auf E-Skin-Ober­flächen zu erfassen. Daher ist elektronische Haut aktuell noch kaum in der Lage, den vollen Informations­gehalt einer Berührung wahrzunehmen. Ein Forschungsteam unter Leitung von Oliver G. Schmidt von der Technischen Universität Chemnitz, hat nun eine Methode vorgestellt, um eine äußerst empfindliche Einheit richtungs­abhängiger magnetischer 3D-Sensoren zu entwickeln, die in ein E-Skin-System integriert werden kann.

Abb.: Elektronische Haut: Flexible mikro­elektronische 3D Sensorik nimmt...
Abb.: Elektronische Haut: Flexible mikro­elektronische 3D Sensorik nimmt Bewegung von Härchen wahr. (Bild: AG Schmidt)

Dabei nutzten die Forschenden einen völlig neuen Integrations­ansatz zur Minia­turisierung und ultrakompakten Anordnung mikro­elektronischer Komponenten. „Unser Ansatz erlaubt die exakte Anordnung funktionaler Sensorelemente in drei Dimensionen, die in einem parallelen Verfahrens­schritt auf einem Chip erzeugt werden kann. Solche Sensorsysteme sind mit konventionellen Methoden der Mikro­elektronik extrem schwer herzustellen", sagt Doktorand Christian Becker. Kern des vom Forschungsteam vorgestellten Sensorsystems ist ein anisotropischer magneto­resistiver Sensor (AMR). Mit einem AMR können Verän­derungen in Magnetfeldern präzise bestimmt werden. Aktuell werden AMRs zum Beispiel als Drehzahlsensoren im Pkw oder zur Positions- und Winkel­bestimmung von beweg­lichen Komponenten in Maschinen eingesetzt.

Zur Entwicklung ihres hochkompakten Sensor­systems bedienten sich die Forschenden des Mikro-Origami-Verfahrens. Dieses Verfahren dient der automatischen Auffaltung von mehreren AMR Sensor­komponenten auf einem Chip in eine drei dimensionale Würfel­struktur, die das magnetische Vektorfeld auflösen kann. Mit der Mikro-Origami Methode passen viele mikro­elektronische Komponenten auf engsten Raum mit Geometrien, die man mit konventionellen Mikrochip-Herstellungsverfahren nicht realisieren kann. „Mikro-origamische Verfahren wurden vor mehr als zwanzig Jahren erstmals entwickelt, und es ist wunderbar zu sehen, wie sich das volle Potential dieser eleganten Technologie nun für neuartige mikro­elektronische Anwendungen nutzen lässt“, sagt Schmidt. Das Forschungsteam integrierte die Mikro-Origami-Magnetsensoren in eine aktive elektronische Matrix, mit der jedes einzelne Sensor­element durch elektronische Schaltkreise bequem adressiert und ausgelesen werden kann. „Die Kombination aus aktiver Sensormatrix mit sich selbst orga­nisierenden Mikro-Origami-Bauteilen ist ein völlig neuer Ansatz für die Minia­turisierung und Integration von 3D-Sensor­systemen mit hoher Auflösung“, sagt Daniil Karnaushenko.

Darüber hinaus ist es dem Forschungsteam gelungen, die 3D-Magnetfeld­sensoren mit feinsten künstlichen Härchen in eine künstliche Haut zu integrieren. Die Härchen wurden jeweils mit einer magne­tischen Wurzel ausgestattet. Die Haut besteht aus einer elastischen Polymer­matrix, in die Elektronik und Sensorik integriert wurde. Das ist so ähnlich wie bei echter organischer Haut, in der die Nerven und Sinneszellen eingebettet sind. Werden die Härchen leicht berührt, bewegen sich die magnetischen Wurzeln in eine bestimmte Richtung, dessen Positionen von den darunter­liegenden Magnetfeld­sensoren exakt bestimmt werden können. Das bedeutet, dass die Sensormatrix nicht nur die Bewegungen der Haare registriert, sondern auch deren Richtung. Somit wird – wie bei echter Haut – jedes Haar auf einer E-Skin zu einer eigenen Sensoreinheit, die Veränderungen in der direkten Umgebung richtungs­abhängig wahrnehmen kann.

Die magneto-mechanische Kopplung zwischen 3D Magnetfeld­sensor und magnetischer Haarwurzel stattet E-Skin mit einer neuen Form der berührungs­empfindlichen Wahrnehmung aus. Diese Fähigkeit ist zum Beispiel von großer Bedeutung, wenn Menschen und Roboter eng zusammen­arbeiten und ein Roboter seinen menschlichen Gegenpart kurz vor einer gewollten Berührung oder einer gefährlichen Kollision vorraus­schauend und exakt wahrnehmen soll.

TU Chemnitz / JOL

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