20.04.2022 • Oberflächen

Elektrisierte Wassertropfen

Elektrostatik beeinflusst Bewegung von Tropfen auf Oberflächen.

Etwas so Einfaches wie die Bewegung von Wasser­tropfen auf Ober­flächen sollte eigentlich verstanden sein – würde man annehmen. De facto gibt es aber bisher noch zahlreiche offene Fragen zu den Kräften, die auf einen gleitenden Tropfen wirken. Ein Forscher­team des MPI für Polymer­forschung und der TU Darmstadt fand nun heraus: Neben der Ober­flächen­energie und der viskosen Reibung innerhalb des Tropfens spielt auch die Elektro­statik eine bedeutende Rolle.

Abb.: Die Bewegung von Tropfen auf Ober­flächen wird auch durch...
Abb.: Die Bewegung von Tropfen auf Ober­flächen wird auch durch elektro­sta­tische Kräfte be­ein­flusst, wie Forscher nun heraus­fanden. (Bild: R. Berger, MPIP)

Der Regen prasselt auf die Autoscheibe, der Fahrtwind drückt die Tropfen zur Seite. Doch wie genau sich die Tropfen auf der Scheibe bewegen konnte bislang niemand präzise vorher­sagen. Dabei ist ein solches Verständnis in zahl­reichen Bereichen wichtig, etwa für das autonomen Fahren: So sollen beispiels­weise in die Wind­schutz­scheibe einge­baute Kameras die Straße und die Verkehrs­situation im Blick behalten – die Oberfläche der Scheibe muss dafür so gestaltet sein, dass die Tropfen vollständig vom Fahrtwind herunter­geblasen werden und die Sicht auch bei Regen frei bleibt. Andere Beispiele mit umge­kehrtem Vorzeichen sind Anwendungen, bei denen Tropfen auf Ober­flächen haften bleiben müssen, etwa beim Aufbringen von Sprühfarbe oder bei Pflanzen­schutz­mitteln.

„Bis jetzt ging man davon aus, dass die Ober­flächen­beschichtung dafür verant­wortlich ist, wie sich der Tropfen auf einer Fläche bewegt – also die ersten paar Molekül­lagen“, sagt Hans-Jürgen Butt vom MPI für Polymer­forschung. So hängt es beispiels­weise von der Oberfläche ab, ob sich eine kugelige oder eine flache Tropfenform ausbildet. Mag der Tropfen die Oberfläche, presst er sich platt auf sie, um möglichst viel Kontakt zu haben. Behagt ihm die Oberfläche nicht, wie beim Lotus­effekt, kugelt er sich zusammen. Auch war klar: Bewegt sich ein Tropfen, tritt viskose Reibung innerhalb des Tropfens auf, die dessen Fort­bewegung ebenfalls beein­flusst.

Doch weder die Kapillar­kraft noch die visko­elastische Kraft können die Unterschiede in der Geschwin­digkeit erklären, mit der sich Tropfen über verschiedene Ober­flächen bewegen. Fragen warf insbesondere die Tatsache auf, dass die Tropfen auf unter­schied­lichen Substraten unter­schied­lich schnell laufen – auch dann, wenn diese mit der gleichen Beschichtung überzogen wurden und es somit eigentlich keinen Unterschied geben sollte.

Die Forscher führten daher eine zunächst mysteriöse Extrakraft ein. Um ihr auf die Spur zu kommen, veranstaltete Xiaomei Li aus dem Team eine Art Tropfen­rennen. „Ich habe die Tropfen auf verschiedenen Substraten gefilmt, aus ihrer Bewegung Geschwin­dig­keits­profile und Beschleu­nigungs­profile erstellt, die bereits bekannten Kräfte heraus­ge­rechnet und daraus wiederum die Kraft kalkuliert, die wir bislang noch nicht im Blick hatten“, erklärt sie.

Das erstaunliche Ergebnis: Die berechnete Kraft stimmt mit einer elektro­statischen Kraft überein, die die Forscher in einem Modell vor einigen Jahren erstmals beschrieben haben. Indem die Forscher die experi­men­tellen Ergebnisse mit diesem numerischen Modell verglichen, konnten sie zuvor verwirrende Tropfen­bahnen erklären.

Rutschen zuvor neutrale Tröpfchen über einen Isolator, können sie sich elektrisch aufladen: Die Elektr­ostatik spielt dort also eine bedeutende Rolle. Auf einem elektrisch leitenden Substrat dagegen gibt der Tropfen seine Ladung umgehend wieder an das Substrat ab. Die elektro­statische Kraft hat also einen großen Einfluss: Sie muss für Wasser, wässrige Elektrolyte und Ethylen­glykol auf allen getesteten hydro­phoben Ober­flächen berück­sichtigt werden. Die Ergebnisse des Teams werden die Kontrolle der Tropfen­bewegung in vielen Anwendungen verbessern angefangen vom Drucken über die Mikro­fluidik oder das Wasser­manage­ment bis hin zur Strom­erzeugung über tröpfchen­basierten Mini­generatoren.

MPIP / RK

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