26.03.2020

Einfache Beatmungsgeräte für Covid-19-Patienten

Marburger Forscher testen mehrere Prototypen, die den weltweiten Gerätemangel dämpfen sollen.

Weltweit gibt es zu wenige hochleistungs­fähige Beatmungsgeräte, um gleichzeitig viele schwere Covid-19-Fälle zu versorgen. Auch wenn die Kliniken in Deutschland gut vorbereitet sind, könnte sich ein Engpass ergeben, wenn die jetzt getroffenen Maßnahmen des Bundes und der Länder nicht greifen und es zu einer hohen Zahl von schweren Krankheits­fällen kommt. Ein Team aus Forschung und Technik der Philipps-Universität Marburg und des Universitäts­klinikums Gießen und Marburg (UKGM) hat angesichts der Befürchtungen, dass die Beatmungskapazitäten in der Corona-Pandemie möglicher­weise nicht ausreichen werden, in sehr kurzer Zeit zwei unter­schiedliche Konzepte für einfache Beatmungs­geräte entwickelt. Die Geräte können schnell und vergleichsweise preisgünstig hergestellt werden und in Situationen zum Einsatz kommen, in denen in Kliniken nicht mehr ausreichend reguläre Beatmungs­plätze zur Verfügung stehen.

Abb.: An der Univer­sität Marburg disku­tieren Physiker Bastian...
Abb.: An der Univer­sität Marburg disku­tieren Physiker Bastian Leu­tenecker-Twelsiek und Caroline Sommer die neueste Version eines Beatmungs­geräts. (Bild: M. Koch)

Das erste Konzept basiert auf der Verwendung von CPAP – Continuous Positive Airway Pressure-Geräten. Diese Geräte werden zum Beispiel zur Behandlung von Schlafapnoe eingesetzt und sind in vielen privaten Haushalten vorhanden. Die CPAP-Geräte werden nach einer Idee aus dem Schlaf­medizinischen Zentrum in Marburg so erweitert, dass sie zur künstlichen Beatmung eingesetzt werden können. Erste Prototypen laufen bereits und wurden von einschlägigen Medizinern des Universitäts­klinikums Marburg sehr positiv beurteilt. Derzeit wird nach Produktions­möglichkeiten für die Geräte gesucht. Der Kanzler der Philipps-Universität, Friedhelm Nonne, sagt: „Ich bin tief beeindruckt und dankbar, dass von diesem Team binnen weniger Tage mit außer­gewöhnlichem Engagement und in einem beispiellosen Zusammen­wirken aus vielen Bereichen der Universität und des Universitäts­klinikums Geräte entwickelt wurden, die helfen können, die aktuelle Coronavirus-Pandemie besser zu bewältigen. Das Beispiel zeigt, wie mit Hilfe der in Universitäten gebündelte Kompetenz rasch Beiträge zur Bewältigung gesell­schaftlicher Problem­lagen geleistet werden können.“

Die modi­fizierten CPAP-Geräte sind nicht so leistungsfähig wie profes­sionelle Beatmungs­geräte. Für die Erst­versorgung von akuten, schweren Covid-19-Fällen mit starker Atemnot sind sie nicht geeignet. Für solche Fälle müssen klinische Beatmungsgeräte eingesetzt werden. Wenn sich die Patienten aber nach ein paar Tagen so weit erholt haben, dass sie weniger intensiv beatmet werden müssen, könnten die modifizierten CPAP-Geräte für die Beatmung zum Einsatz kommen. Dann wären klinische Beatmungs­geräte wieder frei und stünden für die nächsten Personen mit akuten Problemen zur Verfügung. Für Länder, in denen CPAP-Geräte nicht verbreitet sind, entwickelt das Team derzeit als zweiten Ansatz einfache Geräte auf der Basis von „Ambu-Bags“. Diese Beatmungs­beutel werden in der Ersten Hilfe zur Erst­versorgung eingesetzt und sind in großer Stückzahl preisgünstig verfügbar. Sie bestehen aus einer Maske, die auf das Gesicht gedrückt wird, und einem komprimier­baren Beutel, der mit der Hand in regelmäßigen Abständen zur Beatmung zusammen­gedrückt wird. Das Team entwickelt nun mechanische Apparaturen, welche die Beutel periodisch zusammen­drücken.

Das Ziel des Teams ist es, alle technischen Infor­mationen und Bauan­leitungen öffentlich verfügbar zu machen. Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, die Geräte weltweit nachzubauen und in größeren Stückzahlen herzustellen. Der Ärztliche Geschäfts­führer des Marburger Universitäts­klinikums, Harald Renz, sagt: „Unsere Oberärzte bestätigen, dass man die entwickelten Geräte als „last line of defense“ zur Beatmung einsetzen würde, wenn man keine andere Möglich­keit mehr hätte. In Deutschland sind wir derzeit gut aufgestellt. Es gibt aber andere Regionen der Welt, in denen man sicher dankbar wäre, diese Geräte auch in der „first line of defense“ ;einzusetzen.“ Derzeit ist das Team auf der Suche nach Räumlich­keiten und finan­ziellen Mitteln für die Produktion.

U. Marburg / JOL

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