Ein Infrarot-Mikroskop mit Quantenlicht

Gezieltes Verschränken von Photonen ermöglicht Abbildung von bislang unsichtbaren Bio-Merkmalen bei Gewebeproben.

Einer Forschungsgruppe der Humboldt-Universität zu Berlin und des Experi­mental and Clinical Research Centers in Berlin ist es erstmalig gelungen, verschränkte Photonen für Mikroskop-Aufnahmen zu verwenden. Diese Methode zur Quanten-Bildgebung mit undetek­tierten Photonen wurde erst 2014 von der Arbeits­gruppe um den Quanten­physiker Anton Zeilinger in Wien entdeckt. Die ersten Aufnahmen zeigen Gewebe­proben eines Mäuse­herzens.

Abb.: Quanten­mikro­skopie eines Maus­herzens. Verschränkte Photonen...
Abb.: Quanten­mikro­skopie eines Maus­herzens. Verschränkte Photonen ermög­lichen die Erstellung eines hoch­auf­lösenden MIR-Bildes unter Ver­wen­dung einer CMOS-Kamera und extrem niedrigen Beleuch­tungs­inten­si­täten: Absorp­tion (links) und Phasen­infor­ma­tion (rechts; Bild: HU Berlin)

Die Gewebeprobe wurde mit „unsichtbarem“ Licht im mittleren Infrarot unter­sucht, ohne dieses Licht jemals zu sehen. Die Forscher verwenden hierfür einen normalen Laser und eine kommer­zielle CMOS-Kamera. Dadurch ist dieser Ansatz für MIR-Mikro­skopie nicht nur robust, schnell und rauscharm, sondern auch kosten­günstig – was sie für Anwendungen in der realen Welt sehr viel­ver­sprechend macht. Dieser Einsatz von Quanten­licht könnte so zukünftig das Gebiet der biomedizi­nischen Mikro­skopie unter­stützen.

Die derzeitige Kamera­technik wird weitest­gehend von silizium­basierten Techno­logien dominiert. Es gibt Milliarden von CCD- und CMOS-Sensoren in Digital­kameras, Mobil­telefonen oder Fahr­zeugen. Aber wie auch unsere Augen können diese Geräte den wichtigen mittleren IR-Bereich nicht sehen. Dieser Bereich ist für diese Geräte unsichtbar, jedoch für die biomedi­zi­nischen Wissen­schaften sehr interessant, da er wertvolle biochemische Informa­tionen enthält, die es ermöglichen, verschiedene Biomoleküle vonein­ander zu unter­scheiden.

Die wenigen Kamera­techno­logien, die es in diesen wichtigen Wellen­längen­bereich gibt, sind jedoch sehr teuer, rausch­behaftet und unter­liegen strengen Export­beschrän­kungen. Deshalb bleibt das riesige Potenzial des MIR-Lichts für die Biowissen­schaften bisher weit­gehend ungenutzt. Doch die Forscher haben eine neue Lösung vorge­schlagen. „Der Einsatz einer wirklich kontra­intuitiven bild­gebenden Technik mit quanten­ver­schränkten Photonen erlaubt es uns, den Einfluss einer Probe auf einen Licht­strahl im mittleren Infrarot zu messen, ohne dass dieses Licht jemals detektiert werden muss“, erklärt Inna Kviatkovsky von der Humboldt-Universität zu Berlin.

Es handelt sich dabei nicht um eine Umwandlung oder ein Ghost-Imaging, sondern die Technik beruht auf einem subtilen Inter­ferenz­effekt. Zunächst wird ein Photonen­paar erzeugt, indem ein Pump­laser in einen nicht­linearen Kristall fokussiert wird. Dieser Prozess kann so einge­stellt werden, dass eines der Photonen im sicht­baren Bereich und das andere im MIR-Bereich liegt. Das MIR-Photon beleuchtet nun die Probe und wird zusammen mit dem sicht­baren Photon und dem Laser zum Kristall zurück­ge­schickt.

Hier findet die entscheidende Quanten­inter­ferenz statt - und zwar zwischen den beiden Möglich­keiten, dass das Photonen­paar bei diesem ersten Durch­gang erzeugt wird, und der Möglich­keit, nicht beim ersten Durch­gang, sondern beim zweiten Durch­gang durch den Kristall erzeugt zu werden. Jegliche Störung, etwa eine durch die Probe verur­sachte Absorption, wirkt sich nun auf diese Inter­ferenz aus, und interes­santer­weise kann diese durch alleinige Betrachtung der sicht­baren Photonen gemessen werden. Mit der richtigen Optik und Ausnutzung der räum­lichen Ver­schränkung der Photonen kann man ein auf diesem Prinzip basierendes MIR-Mikroskop bauen, was das Team in seiner Arbeit zum ersten Mal gezeigt hat.

„Nach einigen anfänglichen Heraus­forde­rungen waren wir wirklich über­rascht, wie gut dies an einer realen Gewebe­probe funktio­niert“, sagt Kviatkovsky. „Außerdem bestrahlen wir die Proben nur mit extrem niedrigen Leistungen im MIR – so niedrig, dass keine Kamera­technik der Welt diese Bilder direkt erfassen könnte.“

Obwohl dies nur die erste Demonstration dieser Mikro­skopie­technik ist, entwickelt die Gruppe bereits eine verbesserte Version der Technik. Die Forscher stellen sich ein mit Quanten­licht betriebenes Mikroskop im mittleren IR-Bereich vor, das die schnelle Messung der detail­lierten, lokali­sierten Absorptions­spektren für die gesamte Probe ermöglicht. „Im Erfolgs­fall könnte dies ein breites Anwendungs­spektrum für markierungs­freies Bio-Imaging haben, und wir planen, dies mit unseren Kooperations­partnern intensiv zu unter­suchen“, erklärt Sven Ramelow, Gruppen­leiter an der Humboldt-Universität und Initiator des Projekts.

HU Berlin / RK

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