06.11.2019

Dunkle Materie im Teilchenbeschleuniger

Neues Experiment am Desy soll den Zusammenhang zwischen Axionen und Photonen offenbaren.

Ende Oktober wurde der erste von 24 supra­leitenden Magneten für das inter­nationale Forschungs­projekt ALPS II – Any light particle search – bei Desy in Hamburg installiert. Mit diesem Magneten startet die Installation eines einzig­artigen Experiments der Teilchenphysik zur Suche nach Dunkler Materie in einem Abschnitt eines Beschleuniger­tunnels. ALPS II wird nach Teilchen suchen, die Licht buchstäblich durch eine Wand scheinen lassen können und so Hinweise auf eine der größten Fragen der heutigen Physik geben können: Was sind die Eigenschaften von Dunkler Materie?

Abb.: Illustration des ALPS-II-Experi­ments. ALPS II wird nach Teilchen...
Abb.: Illustration des ALPS-II-Experi­ments. ALPS II wird nach Teilchen suchen, die mehr Details über die Eigen­schaften der dunklen Materie offen­baren sollen. (Bild: DESY / Scicom-Lab)

„Es ist wirklich aufregend zu sehen, wie das Projekt, an dem viele von uns seit so vielen Jahren arbeiten, endlich im Tunnel Gestalt annimmt“, sagte ALPS-II-Sprecher Axel Lindner. „Wenn die Installation und Inbetrieb­nahme wie geplant verläuft, können wir die Messungen in der ersten Hälfte des Jahres 2021 starten.“ Bisher zeigen Beo­bachtungen und Berechnungen der Bewegung von Sternen in Galaxien, dass es im Universum mehr Materie geben muss, als wir mit den uns heute bekannten Materie­teilchen erklären können. Tatsächlich müsste die dunkle Materie 85 Prozent der gesamten Materie im Universum ausmachen. Allerdings wissen wir derzeit nicht, was die Bestandteile der dunklen Materie sind. Aber wir wissen, dass sie quasi nicht mit der normalen Materie interagiert und im Wesent­lichen unsichtbar ist.

Es gibt viele Theorien, die versuchen, die Natur der dunklen Materie und die Teilchen, aus denen sie bestehen könnte, zu erklären. Einige dieser Theorien besagen, dass die dunkle Materie aus sehr leichten Teilchen mit sehr spezifischen Eigen­schaften besteht. Ein Beispiel ist das Axion, das ursprünglich zur Erklärung von Aspekten der starken Wechsel­wirkung, einer der fundamentalen Naturkräfte, postuliert wurde. Es gibt auch rätselhafte astro­physikalische Beobachtungen in der Evolution von Sternen­systemen, die sehr gut durch die Existenz von Axionen oder Axion-ähnlichen Teilchen erklärt werden können. Hier setzt das Experiment ALPS II an. Es wurde entwickelt, um diese Teilchen zu erzeugen und nachzuweisen. Ein starkes Magnetfeld kann Axionen dazu bringen, sich in Lichtteilchen, Photonen, umzu­wandeln und umgekehrt. „Diese bizarre Eigenschaft wurde bereits im ersten ALPS I-Experiment, das wir von 2007 bis 2010 durchgeführt haben, genutzt. Trotz seiner geringen Größe erreichte es die weltweit besten Sensi­tivitäten für solche Experimente“, sagt Benno Willke, Leiter der ALPS- und Laser­entwicklungs­gruppe am Max-Planck-Institut für Gravitations­physik und am Institut für Gravitations­physik der Leibniz Universität Hannover.

ALPS II wird in einem geraden Tunnel­abschnitt des ehemaligen Desy-Teilchenphysik­beschleunigers Hera installiert. Vierundzwanzig supra­leitende Beschleuniger­magnete, zwölf auf beiden Seiten einer Wand, beherbergen zwei 120 Meter lange optische Resonatoren. Ein leistungs­starkes und komplexes Lasersystem erzeugt Licht, das durch den Resonator im Inneren des Magnetfeldes verstärkt und, so hoffen die Forscher, zu einem sehr kleinen Teil in Teilchen der dunklen Materie umgewandelt wird. Eine licht­blockierende Barriere steht vor der anderen Hälfte von ALPS II. Diese Wand ist allerdings keine Hürde für Axionen und ähnliche Teilchen, die sie leicht passieren können. Im zweiten Resonator würden die Teilchen der dunklen Materie wieder in Licht umgewandelt. Das winzige Signal wird von speziellen Detektions­systemen erfasst. 

Die mehr als tausend­fache Verbesserung der Empfind­lichkeit von ALPS II wird durch die größere Länge der Magnet­strecke, aber auch durch signi­fikante Fortschritte in optischen Technologien ermöglicht. „Diese Fortschritte sind das Ergebnis der Arbeit an Gravitations­wellen-Interfero­metern wie GEO600 und LIGO und zeigen auf schöne Weise, wie techno­logische Fortschritte in einem Bereich Fortschritte in anderen ermöglichen“, sagte Co-Sprecher Guido Müller von der University of Florida in Gainesville. ALPS II ist auch ein Beispiel für das Recycling in der Forschung: Es nutzt nicht nur einen Tunnel­abschnitt, in dem einst der Flaggschiff-Teilchen­beschleuniger von Desy untergebracht war, sondern es recycelt auch die Magnete, die bis 2007 Protonen durch den Ring trieben. Diese Magnete mussten umgebaut werden, um den ALPS-Zwecken gerecht zu werden: Die leichte Biegung, die für den Einsatz in einem Beschleuniger­ring nötig war, musste entfernt werden, damit sich Licht durch sie ungehindert ausbreiten kann.

ALPS II könnte nur das erste Experiment innerhalb eines neuen strate­gischen Ansatzes auf der Suche nach der dunklen Materie sein. „Internationale K­ooperationen bereiten das IAXO-Experiment zur Suche nach den von der Sonne emittierten Axionen sowie den MADMAX-Detektor vor, der direkt nach Axionen als Bestandteilen der uns umgebenden lokalen dunklen Materie fahndet“, erklärte Joachim Mnich, Desy-Direktor für Teilchen­physik.

DESY / JOL

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