10.07.2023 • Energie

Die Zukunft des Fliegens

Kann die Luftfahrt klimaverträglich werden? Die damit einhergehenden Herausforderungen sind Titelthema in „Physik in unserer Zeit“.

Wenn wir es schaffen wollen, dass die Erwärmung der Erde nicht mehr weiter ansteigt, dann müssen wir konsequent und schnell handeln. In der Luftfahrt bedeutet das, dass wir in den nächsten zwanzig Jahren das erwartete Wachstum und die Emissionen unbedingt entkoppeln müssen. Das klingt nach einem fast unlösbaren Problem. Meine Kolleginnen und Kollegen am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben sich dieser Heraus­forderung angenommen. Und das Schöne ist, dass unsere Forschungs­ergebnisse Anlass zu Zuversicht geben.

 

Abb.: Markus Fischer war seit 2017 beim Deutschen Zentrum für Luft- und...
Abb.: Markus Fischer war seit 2017 beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zunächst als Leiter der Programmdirektion Luftfahrt tätig. Seit 2021 ist er Bereichsvorstand Luftfahrt des DLR.

Es gibt zwar nicht die eine Lösung für alle Probleme. Aber unsere Forschungs­projekte zeigen, dass die Energiewende in der Luft tatsächlich gelingen kann – und zwar dann, wenn wir alle Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, intelligent kombinieren. Wir müssen die Chancen der Digitalisierung nutzen, um sowohl den Einsatz von Sustainable Aviation Fuels (SAF) als auch die Routen zu optimieren. Und wir müssen zusätzlich auf emissions­arme Antriebe, energie­effiziente Flugzeuge sowie auf nachhaltig produzierte Kraftstoffe setzen. Dann, so glauben wir, ist eine emissions­freie Luftfahrt möglich. Wir arbeiten mit Nachdruck daran, diese Vision im Rahmen des European Green Deal Wirklichkeit werden zu lassen.

Auf dem Weg zu diesem Fernziel werden nachhaltig produzierte synthetische – in der aktuellen Debatte meistens E-Fuels genannt – oder biobasierte Kraftstoffe eine entscheidende Rolle spielen. Das zeigen auch Björn Niesen, Peter Jansohn und Jörg Roth in ihrem Beitrag in der aktuellen Ausgabe von „Physik in unserer Zeit“. Der große Vorteil dieser Kraftstoffe ist, dass sie viel schneller eingesetzt werden können als Technologien, die ein Umdenken in der gesamten Infra­struktur erfordern, wie Wasserstoff­antriebe. Wichtig werden diese neuartigen Kraftstoffe in den nächsten Jahren vor allem auf Langstrecken­flügen. Der Anteil der Langstrecken­flüge an der Anzahl der Flüge insgesamt ist zwar vergleichsweise klein – in Europa betrug er laut Eurocontrol zuletzt nur etwa sechs Prozent. Aber diese vergleichsweise kleine Gruppe von Flügen verursacht aufgrund der enormen Strecken die Hälfte der gesamten CO2-Emissionen der Luftfahrt.  

Ähnliches gilt für die Nicht-CO2-Effekte, die wir gerade erst zu verstehen beginnen. Auch sie resultieren überwiegend aus den Ruß- und Stickoxid-Emissionen von Flügen, die länger als 1500 km sind. Teilweise entstehen sie aber auch dort, wo sich einfach viele Flüge überlagern – etwa im Luftraum über Europa. Mit anderen Worten: Nicht alle Flüge tragen in gleichem Maße zu dem Problem bei. Will man die Nicht-CO2-Effekte jetzt so schnell wie möglich reduzieren, dann gibt es auf absehbare Zeit nur eine heraus­stechende Option – und das sind die neuen Treibstoffe. Denn unseren Studien zufolge ist bei den neuen Treibstoff-Blends eine Reduktion der Ruß­emissionen um bis zu 70 % möglich. Dafür müssen wir diese Kraftstoffe allerdings regelrecht neu designen, indem wir die Moleküle entfernen, die für die Rußbildung verantwortlich sind. Und das ist komplexer, als es auf den ersten Blick zu sein scheint.

Dabei stellt sich für mich nicht die Frage, ob diese Treibstoffe in ausreichender Menge verfügbar sein werden. Für mich stellt sich vielmehr die Frage, ob wir bereit sein werden, sie als einen Trittstein in die Zukunft zu verstehen und die Möglichkeiten zu nutzen, die sie uns bieten – die aber im Augenblick in der öffentlichen Debatte noch übersehen werden. Denn wenn wir neue Energie­träger nicht isoliert betrachten, sondern sie gemeinsam mit emissions­armen Antrieben neu denken, werden wir vielleicht Möglichkeiten entdecken, von denen wir im Augenblick noch gar nichts ahnen.

Diese Chance sollten wir nutzen. Denn wir können nicht genug dafür tun, unseren Kindern und Enkeln eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen.

Markus Fischer

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