23.11.2021

Die supraleitende Diode

Ansatz für elektronische Schaltungen ohne Wärmeabgabe.

Elektronische Schaltkreise erzeugen zwangsläufig Wärme. Ein Wissenschaftler­team um Christoph Strunk und Nicola Paradiso vom Institut für experimentelle und angewandte Physik der Universität Regensburg forscht an Wegen, dies künftig zu ändern. Dazu bieten sich supra­leitende Schaltkreise an, die per Definition Strom ohne Verlustleistung also auch ohne Wärme leiten. Das Problem ist, dass es für viele Schaltungs­komponenten in der normalen Elektronik noch kein supra­leitendes Gegenstück gibt. Das wichtigste Beispiel dafür ist die Diode, ein Schlüssel­element der Elektronik.

Abb.: Schema einer Kette von Josephson-Kontakten bestehend aus Aluminium-Inseln...
Abb.: Schema einer Kette von Josephson-Kontakten bestehend aus Aluminium-Inseln auf einem Indium­arsenid-Quantentrog. (Bild: Springer Nature / U. Regensburg)

Als Grundlage des ersten Transistors ist die Diode ein Übergang zwischen zwei Halbleitern mit unter­schiedlicher Dotierung, durch den der Strom leicht mit geringem Widerstand in die eine und schwer mit hohem Widerstand in die andere Richtung fließen kann. Die Richtung hängt davon ab, ob die Polarität der angelegten Spannung mit der Dotierungs­polarität im Übergang übereinstimmt. „Die größte Heraus­forderung beim Bau einer supraleitenden Diode besteht darin, dass Supraleiter nicht zwischen links und rechts unterscheiden. Ihr Widerstand ist gleich Null, egal in welche Richtung der Strom fließt“, sagt Nicola Paradiso. Um dieses Problem zu lösen, hat das Forscherteam Indium­arsenid verwendet. Dieser Halbleiter ist zwar kein Supraleiter, kann aber zwischen zwei gewöhnlichen supra­leitenden Leitern – etwa Aluminium – einen widerstandslosen Strom aufrecht­erhalten, wodurch ein Josephson-Übergang entsteht. Aufgrund der speziellen Relativitäts­theorie spüren die Elektronen das große elektrische Feld der schweren Ionen als Magnetfeld. Dieses Magnetfeld beeinflusst das innere magnetische Moment der Elektronen und erzeugt eine Spin-Bahn-Kopplung. 

Dieser Trick ist der Schlüssel dazu, dass die Elektronen zwischen links und rechts unterscheiden können. Aufgrund der Spin-Bahn-Kopplung zeigt der Spin nämlich je nach Ausbreitungs­richtung in eine andere Richtung. Wird ein zusätzliches Magnetfeld in der Ebene quer zur Stromrichtung angelegt, so bricht dessen Kopplung mit den Spins schließlich die Symmetrie zwischen den beiden Strom­polaritäten. Bei kleinen Strömen haben die Elektronen, auch wenn sie zwischen links und rechts unter­scheiden können, in beiden Richtungen einen Widerstand von Null. Erhöht man jedoch den Strom bis zu einem bestimmten Wert, schaltet das Gerät in den dissi­pativen Zustand mit endlichem Widerstand um. Da die Symmetrie zwischen links und rechts gebrochen ist, sind die kritischen Werte für rechts- und links­drehenden Strom unterschiedlich.

Um die Diode zu verwenden, muss man einfach einen Stromwert zwischen den beiden kritischen Strömen anlegen. Der Widerstand wird nur bei einer bestimmten Strom­polarität gleich Null sein. Da es das äußere Magnetfeld ist, das den Elektronen sagt, was links und was rechts ist, bedeutet ein Wechsel des Vorzeichens, dass sie links und rechts sind. Daraus ergibt sich, dass der Widerstand durch einfachen Wechsel des Vorzeichens des Magnet­felds von Null auf einen endlichen Wert umschaltet.

Um die Einzelheiten des Mechanismus zu untersuchen, der den supra­leitenden Dioden­effekt hervorruft, haben die Forschenden einen Weg gefunden, den scheinbar Zustand des geringen Stroms zu untersuchen, in dem der Widerstand identisch Null ist, egal in welche Richtung der Strom fließt. Der Gedanke dahinter ist, dass der Widerstand bei niedrigem Strom zwar strikt gleich Null ist, die Induktivität jedoch endlich bleibt und einen wert­vollen Anhaltspunkt dafür liefert, was mit dem Suprastrom passiert, wenn die Links-Rechts-Symmetrie durch ein Magnetfeld allmählich gebrochen wird.

Interessanter­weise hat das Team einen magneto-chiralen Aniso­tropie-Effekt gefunden. Dieser Effekt wurde in der Vergangenheit bei gewöhnlichen Metallen festgestellt. Bei der Messung des Widerstands einer bestimmten Klasse von Metallen, denen die Inversions­symmetrie fehlt, stellt man fest, dass es einen Korrekturterm gibt, der proportional zum Produkt aus Magnetfeld und Stromstärke ist. Das Team hat heraus­gefunden, dass die gleichen Beziehungen für eine supra­leitende Diode gelten, wenn man den Widerstand, der einfach Null ist, durch die Induk­tivität ersetzt. 

Paradoxer­weise könnte die Arbeit mit Josephson-Übergängen vom theoretischen Standpunkt aus gesehen einfacher sein als die Modellierung von Volumen­supraleitern. Theoretiker um Jaroslav Fabian konnte den Supra-Strom­transport in Josephson-Kontakten mit Spin-Bahn-Kopplung berechnen und die Ergebnisse der Experimente quantitativ reproduzieren. Die Demonstration der supra­leitenden Diode öffnet den Weg zur Realisierung nicht-trivialer Schaltungs­komponenten, die völlig widerstands­frei sind. Solche Bauteile könnten die Grundlage für eine neue Generation elek­tronischer Schaltungen sein, die weder Energie verschwenden noch die entstehende Wärme mühsam abführen müssen.

U. Regensburg / JOL

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