20.05.2019 • Metrologie

Das neue Maß der Einheiten

Ab heute sind alle sieben SI-Einheiten auf Basis von Naturkonstanten definiert.

Heute ist der internationale Tag des Messens bzw. der Weltmetrologietag, der seit dem Jahr 2000 daran erinnert, dass am 20. Mai 1875 die internationale Meterkonvention unterzeichnet wurde. Zudem würdigt dieser Tag die Bedeutung des Messens und der Metrologie für Wirtschaft und Gesellschaft. Und für diese „Wissenschaft vom Messen“ ist der diesjährige 20. Weltmetrologietag ein ganz Besonderer. Heute tritt die Neudefinition der SI-Einheiten in Kraft, die nun sämtlich auf Naturkonstanten basieren. Für den morgendlichen Gang auf die Waage oder das pünktliche Erscheinen in Schule bzw. am Arbeitsplatz hat das natürlich keine Bedeutung, sehr wohl aber für die Wissenschaft und die Industrie.

Am 16. November 2018 hatte die Generalkonferenz für Maß und Gewicht die Revision des Internationalen Einheitensystems beschlossen, damit die Einheiten, in denen wir alles in der Welt vermessen, auf das solideste Fundament bekommen, das aus physikalischer Sicht vorstellbar ist: Ein Satz von Naturkonstanten mit genau festgelegten Werten bildet nun die Grundlage für die Definition der sieben Einheiten. Damit hat auch das Ur-Kilogramm ausgedient, das sich in einem Safe des Internationalen Büros für Maße und Gewichte (BIPM) in Sèvres (Paris) befindet und in seiner Masse signifikant von der Masse seiner Kopien abweicht.

Der nationale Kilogramm-Prototyp (links) hat bei der Massendefinition...
Der nationale Kilogramm-Prototyp (links) hat bei der Massendefinition ausgedient. Eine Kugel aus einem hochangereicherten 28Si-Einkristall (rechts) diente zur genauen Messung der Avogadro-Kontante. (Fotos: PTB)

Die Idee, eine Maßeinheit auf der Basis von Naturkonstanten zu definieren, ist nicht neu: Was bei der Definition der Sekunde mittels Atomuhren vor 50 Jahren und bei der Definition des Meters mithilfe der Lichtgeschwindigkeit vor über 30 Jahren begonnen wurde, setzt sich nun auch für alle anderen SI-Einheiten fort: Das Kelvin leitet sich nun aus der Boltzmann-Konstanten ab, das Ampere aus der Elementarladung, die Einheit Candela aus dem photometrischen Strahlungsäquivalent, die Masse aus dem Planckschen Wirkungsquantum und das Mol aus der Avogadro-Konstante.

In den metrologischen Labors fanden in den letzten Jahren aufwändige Experimente statt, um eben diese Konstanten so genau wie möglich zu messen. Diese Messungen, die vor allem an den großen Metrologieinstituten wie der PTB in Deutschland, dem NIST in den USA, dem NMIJ in Japan oder dem NRC in Kanada erfolgten, waren erfolgreich: Die zuvor gesetzten Zielmarken, unter anderem bei den Messunsicherheiten und der Unabhängigkeit der Experimente voneinander, wurden erreicht. Somit ließen sich die Werte der betreffenden Naturkonstanten auf Basis dieser Messungen sehr genau festlegen.

Zur Definition des Kilogramms wurde die Planck-Konstante h ausgewählt. Ihr...
Zur Definition des Kilogramms wurde die Planck-Konstante h ausgewählt. Ihr Wert wurde über zwei unabhängige Experimente bestimmt: das Avogadro-Experiment (hier zählt man Atome in einer perfekten Siliziumkristallkugel, links, PTB) und die Wattwaage (hier kompensiert man ein Gewicht über quantenelektrische Effekte, rechts, NIST).

Sollten sich diese Werte mit neuen, verbesserten Experimenten genauer messen lassen, können im neuen Einheitensystem die Einheiten direkt genauer realisiert werden – ohne Änderung der zugrundeliegenden Definition. In einer hochtechnisierten Welt, in der die Längeneinteilungen nicht beim Nanometer aufhören werden oder die Zeiteinteilungen bei Femtosekunden, ist diese technische Offenheit des neuen SI gegenüber allen zukünftigen Genauigkeitsfortschritten ein großer Gewinn. Das neue Einheitensystem schafft so die besten Voraussetzungen für Innovationen überall dort, wo es auf höchste Genauigkeit ankommt: bei der Entwicklung von Quantentechnologien, bei den Diagnosemöglichkeiten der Medizin, den Effizienzsteigerungen bei der Energiegewinnung oder den Analysemethoden der Klimaforschung.  

Das neu definierte Einheitensystem beseitigt die Mängel des bisherigen Systems, wobei die Änderungen im täglichen Leben nicht zu bemerken sind und sich auch in der Technik die Fortschritte erst auf lange Sicht zeigen werden. Für die Wissenschaft tritt der Fortschritt dagegen sofort ein. Darüber hinaus gelten die Naturkonstanten überall, sodass das neue SI-System gewissermaßen eine „universelle Sprache“ bildet, auf die sich die Weltgemeinschaft nun verständigt hat. Dies unterstreicht auch DPG-Präsident Dieter Meschede: „Ein universelles Einheitensystem ist vieles in einem: eine diplomatische Meisterleistung, ein ästhetisches Gebilde und ein technologisches Versprechen.“

Maike Pfalz / PTB

 

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