21.06.2021

Covid-19 verformt Blutkörperchen

Neues Verfahren ermittelt physikalische Eigenschaften von Erythrozyten.

Atemnot, Müdigkeit und Kopfschmerzen: Manche Patienten kämpfen noch ein halbes Jahr und länger mit Langzeit­folgen einer schweren Infektion durch das Coronavirus SARS-CoV-2. Dieses Post-Covid-19-Syndrom, kurz Long Covid, ist noch immer nicht richtig verstanden. Klar ist, dass im Zuge einer Erkrankung oft die Blut­zirkulation beein­trächtigt ist, es zu gefährlichen Gefäß­verschlüssen kommen kann und der Sauerstoff­transport im Blut nur eingeschränkt funktioniert. Alles Phänomene, bei denen die Blutzellen und ihre physi­kalischen Eigen­schaften eine Schlüssel­rolle spielen. Daher hat ein Team um Markéta Kubánková, Jochen Guck und Martin Kräter vom Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin, dem Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, der Friedrich-Alexander-Univer­sität Erlangen-Nürnberg sowie dem Deutschen Zentrum für Immun­therapie die mechanischen Zustände von roten und weißen Blut­körperchen untersucht.

Abb.: In Blutproben werden die physi­kalischen Eigen­schaften von...
Abb.: In Blutproben werden die physi­kalischen Eigen­schaften von Leuko­­zyten und Erythro­zyten gemessen. (Bild: M. Kruse, MPL)

„Dabei haben wir deutliche und lang­anhaltende Verän­derungen der Zellen messen können – sowohl während einer akuten Infektion und auch noch danach“, berichtet Guck. Das habe Folgen für Diagnose und Behandlung von Covid-19. Um die Blutzellen zu analysieren, nutzen sie ein selbst entwickeltes Verfahren namens Echtzeit-Verformungs­zytometrie – real-time deformability cytometry, RT-DC –das vor kurzem mit dem hoch dotierten Medical Valley Award ausge­zeichnet wurde. Bei dieser Methode schicken die Forschenden die Blutzellen durch einen engen Kanal. Dabei werden die Leukozyten und Erythro­zyten gestreckt. Eine Hoch­geschwindigkeits­kamera fotografiert jede einzelne von ihnen durch ein Mikroskop, eine spezielle Software ermittelt, um welche Zelltypen es sich handelt, wie groß und wie stark verformt sie sind. Bis zu 1000 Blutkörperchen lassen sich so pro Sekunde ana­lysieren. Vorteil des Verfahrens: Es ist schnell und die Zellen müssen nicht aufwändig angefärbt werden.

Auf diese Weise haben die Erlanger Biophysiker mehr als vier Millionen Blut­zellen von 17 akut an Covid-19 erkrankten Patienten, von 14 Genesenen und 24 Gesunden als Vergleichs­gruppe untersucht. Dabei zeigte sich, dass beispielsweise Größe und Verform­barkeit der roten Blut­körperchen von Erkrankten stärker schwankte als die von Gesunden. Das deutet auf eine Schädigung dieser Zellen hin und könnte das erhöhte Risiko von Gefäß­verschlüssen und Embolien der Lunge erklären. Zudem kann dadurch die Sauerstoff­versorgung, die zu den Hauptaufgaben der Erythro­zyten zählt, bei Infizierten beein­trächtigt sein. Lymphozyten waren bei Corona-Patienten wiederum deutlich weicher, was auf eine starke Immun­reaktion hinweisen kann.

Ähnliche Beo­bachtungen konnten die Forscher auch bei neutro­philen Granu­lozyten machen, einer weiteren Gruppe weißer Blut­körperchen verantwortlich für die angeborene Immunabwehr. Diese Zellen blieben sieben Monate nach der akuten Infektion drastisch verändert. „Wir vermuten, dass sich das Zellskelett der Immunzellen, welches maßgeblich für die Zell­funktion verant­wortlich ist, verändert hat“, erklärt Markéta Kubánková. Aus ihrer Sicht hat die Echtzeit-Verformungs­zytometrie das Potenzial dazu, routinemäßig bei der Diagnose von Covid-19 eingesetzt zu werden – und sogar als Frühwarn­system vor künftigen Pandemien durch noch unbekannte Viren zu dienen.

MPL / JOL

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