31.10.2019

Chirales Licht hält Moleküle auseinander

Enantiomere lassen sich mit synthetischen chiralen Lichtwellen klar unterscheiden.

Licht bietet den schnellsten Weg, um rechts- und links­händige chirale Moleküle zu unterscheiden, was für viele Anwendungen in Chemie und Biologie unerlässlich ist. Normales Licht spricht aber nur schwach auf die molekulare Händigkeit an. Forscher des Max-Born-Instituts für Nicht­lineare Optik und Kurzzeit­spektroskopie (MBI), des Israel Institute of Technology (Technion) und der Technischen Universität Berlin haben nun gezeigt, wie man eine ganz neue Art von Licht erzeugen und charakterisieren kann. Dieses synthetische chirale Licht macht die Händigkeit von Molekülen besonders eindeutig sichtbar. 
 

Abb.: Identifizierung der Chiralität von Molekülen mit beispiel­loser...
Abb.: Identifizierung der Chiralität von Molekülen mit beispiel­loser Präzision. Synthetisches chirales Licht wechsel­wirkt selektiv mit einer der beiden Versionen eines chiralen Moleküls. (Bild: S. Roberts)

Genau wie unsere linke und rechte Hand haben auch einige Moleküle in der Natur ihre Spiegel­zwillinge. Obwohl diese Zwillings­moleküle ähnlich aussehen, können einige ihrer Eigenschaften sehr unterschiedlich sein. So spielt die Händigkeit – oder Chiralität – von Molekülen eine entscheidende Rolle in der Chemie, in der Biologie und bei der Arznei­mittel­entwicklung: Während die eine Variante des Moleküls eine Krankheit heilt, kann der Spiegel­zwilling – auch Enantiomer genannt – giftig oder sogar tödlich sein. 

Dabei ist es extrem schwierig, die spiegel­bildlichen chiralen Moleküle zu unterscheiden. Sie sehen identisch aus und verhalten sich identisch – es sei denn, sie treffen auf ein anderes chirales Objekt. Zirkular polarisiertes Licht ist seit langem der perfekte Kandidat für diese Aufgabe: Die Schwingungen seines elektro­magnetischen Feldes zeichnen eine korken­zieher­förmige Spirale entlang seiner Ausbreitungs­richtung. Chirale Moleküle können damit auf unterschiedliche Weise wechselwirken. Die durch die Licht­wellenlänge vorgegebene Weite der Schrauben­linie ist jedoch rund tausend Mal größer als die Größe eines Moleküls. Deshalb nehmen Moleküle die Lichtschraube eher als einen riesigen Kreis wahr und reagieren kaum auf dessen chiralen Charakter.

Einen innovativen Weg, dieses Problem zu umgehen, hat nun das Forscherteam des MBI, Technion und der TU Berlin vorgeschlagen. Sie haben sich an die Synthese einer völlig neuen Art von chiralem Licht gemacht, das eine chirale Struktur zu jeder Zeit an jedem einzelnen Punkt im Raum zeichnet. „Die Händigkeit dieses neuen Lichts lässt sich so einstellen, dass das eine Enantiomer aktiv mit ihm wechselwirkt und helles Licht als Antwort aussendet, während das gespiegelte Enantiomer überhaupt nicht mit ihm reagiert“, erklärt David Ayuso, Forscher am MBI und Erstautor der Studie.

Die Wissenschaftler haben dieses neue chirale Licht mathematisch beschrieben und ihr Modell getestet. Dazu haben sie simuliert, wie diese Lichtstrahlen mit chiralen Molekülen wechselwirken. Darüber hinaus gelang es ihnen zu zeigen, wie man solches Licht im Labor erzeugt, und zwar indem man zwei konvergierende Laser­strahlen unterschiedlicher Frequenz miteinander verschmilzt. Die Wissenschaftler können die Händigkeit dieses synthetischen chiralen Lichts kontrollieren, indem sie mit der Phasen­verschiebung zwischen den verschiedenen Frequenzen spielen. Dadurch lässt sich auswählen, welche Art von Molekülen intensiv mit diesem Licht wechselwirken.

„Synthetisches chirales Licht wird durch vollkommen neue intrinsische Symmetrie­eigenschaften für elektro­magnetische Felder beschrieben, was sehr spannend ist“, sagt der zweite Erst­autor der Studie Ofer Neufeld, Doktorand in der Physik­abteilung des Technions.

Die Forscher sehen eine Vielzahl möglicher Anwendungen für ihr neues Verfahren in Chemie und Biologie. Synthetisches chirales Licht könnte es etwa ermöglichen, chirale chemische Reaktionen in Echtzeit zu beobachten oder auch einen Wechsel bei der Händigkeit von Molekülen nachzuweisen. „Wir hoffen auch, diesen neuen Ansatz nutzen zu können, um Moleküle mit entgegen­gesetzter Händigkeit mit ultra­schnellen Lasern räumlich voneinander zu trennen“, erklärt Olga Smirnova, Professorin an der TU Berlin und Leiterin einer Theoriegruppe am MBI.

FVB / DE
 

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