25.07.2019

Beschwingte Ionen

Außerordentliche Kontrolle über mechanische Oszillationen gefangener Ionen.

Die Ausnutzung besonderer Quantenzustände verspricht gerade für metro­logische Aufgaben sehr hohe Empfindlich­keiten weit jenseits dessen, was sich mit klassisch-physikalischen Verfahren erreichen lässt. Interessant sind dabei unter anderem solche Zustände, bei denen sich zwei Eigenzustände mit maximal unterschiedlicher Energie in einer quanten­typischen Überlagerung befinden. Auf diese Weise lässt sich die hohe Empfindlichkeit von inter­ferometrischen Messverfahren bestmöglich ausnutzen. Wissen­schaftler um Dietrich Leibfried vom National Institute of Standards and Technology in Boulder, Colorado, haben nun eine neue Methode der Ionen­kontrolle vorgestellt, mit der sie die bislang zugänglichen Bereiche von Oszillations­zuständen um ein Mehrfaches erhöhen. 

 

Abb.: Katie McCormick justiert einen Laser­strahl, mit dem ein Beryl­lium-Ion...
Abb.: Katie McCormick justiert einen Laser­strahl, mit dem ein Beryl­lium-Ion in einer Falle gekühlt wird. (Bild: Burrus / NIST)

Die meisten Ansätze zur Quantenkontrolle nutzen elektronische oder auch Kernzustände und nicht die mechanischen Freiheits­grade, die sich meist im Grundzustand oder in nur schwach angeregten Zuständen befinden. Bei solchen Experimenten dient der Schwingungs­freiheitsgrad häufig einfach als sekundärer Freiheits­grad, der etwa Informationen zwischen Ionen austauschen kann. 

Wie die neuen Ergebnisse zeigen, kann man aber auch die mechanischen Schwingungs­quanten­zustände durchaus präzise kontrolliert in höhere Anregung versetzen. Die Forscher sperrten hierzu ein einfach ionisiertes Beryllium-9-Ion in eine kryogene elektro­magnetische Falle. Die Temperatur betrug rund vier Kelvin. Dann steigerten die Wissenschaftler die Schwingungs­quantenzahl dieses Ions schrittweise, indem sie alternierende ultra­violette Laserpulse auf dieses Ion strahlten. Deren Frequenz lag jeweils knapp unter und über der Frequenzdifferenz zwischen den beiden Spinzuständen des Ions. Jeder Puls drehte den Spin des Ions von Zustand „up“ in den Zustand „down“ oder umgekehrt, wobei sich jedesmal die Schwingungs­quantenzahl um eins erhöhte. Dabei erreichten die Beryllium-Ionen Schwingungs­quantenzahlen von bis zu 100. 

Die Forscher konnten auch Überlagerungs­zustände erzielen, indem sie spezielle Laserpulse verwendeten. Wenn die Pulse nur auf die eine Hälfte der Wellen­funktion des Ions wirkten, dann nahm dieser Teil der Wellenfunktion schrittweise höhere Schwingungs­zustände an, während die andere Hälfte im Grundzustand verharrte. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler Überlagerungs­zustände von Grundzustand und angeregtem Zustand bis hin zu Schwingungs­quantenzahlen von 18 erzielen.

Ein wesentlicher Punkt bei den Experimenten bestand darin, mögliche Stör­einflüsse weitestgehend zu minimieren. So können elektrische Streufelder die Ionen leicht durch Energie­austausch aus der Ruhe bringen und die empfindlichen Quanten­zustände stören. Die Wissenschaftler bewerk­stelligten dies unter anderem dadurch, dass sie einerseits hochwertige Abschirmungs­systeme einsetzten und andererseits für ein exakt definiertes Kühlverfahren sorgten. Dabei befand sich das Beryllium-Ion rund vierzig Mikrometer über den Goldelektroden der elektro­magnetischen Falle. Hinzu kamen zahlreiche kleinere Verbesserungen, die sich in Summe in einer deutlichen Steigerung der Quanten­kontrolle ausgezahlt haben. Dazu gehörten nicht nur eine höhere Stabilität bei der Laserl­eistung, sondern auch eine bessere mechanische Stabilität des gesamtem Aufbaus, an dem am National Institute of Standards and Technology seit über einem Jahrzehnt gebastelt wird. Die Forscher konnten dank dieser Fortschritte die Oszillations­frequenz des Ions mit sehr hoher Präzision bestimmen und erreichten bei einer Schwingungs­quantenzahl von zwölf eine Verbesserung von 6,4 Dezibel. 

Das neue Verfahren lässt sich in Prinzip mit jedem quanten­mechanischen harmonischen Oszillator umsetzen – auch mit solchen, die wie ein Pendel oder eine Sprungfeder vibrieren. Längerfristig gesehen können sich die Forscher sogar vorstellen, auf diese Weise Quanten­informations­verarbeitung zu leisten. Das könnte etwa so funktionieren, dass man die Phononen als Informations­träger einsetzt. „Die Kontrolle über die Ionenbewegung könnte auch helfen, die Güte von Gattern im Quanten­computing zu erhöhen“, sagt Katie McCormick von der University of Colorado, Erstautorin der Publikation. „Man könnte damit aber auch Quanten­simulationen verbessern, indem man die Bewegungsquanten als bosonische Quasiteilchen in solchen Simu­lationen einsetzt.“ Zum jetzigen Zeitpunkt steht allerdings der Einsatz in der Metrologie im Fokus. Solche Ionen, die sich in Überlagerungs­zuständen befinden, könnten die Präzision bei Frequenz­messungen deutlich erhöhen. Im Vergleich zu bisherigen Methoden ließe sich so ungefähr eine Verdopplung der Frequenz­genauigkeit erzielen.

Dirk Eidemüller

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