28.06.2019

Beryllium unter Hochdruck

Berylliumatome bilden in einem Phosphat-Kristall ungewöhnliche Kristallstrukturen.

Das seltene Element Beryllium ist vor allem als Bestandteil von Smaragden, Aquamarinen und anderen Edelsteinen bekannt. Ein inter­nationales Team mit Wissen­schaftlern der Universität Bayreuth machte nun eine sehr ungewöhnliche Entdeckung: Unter einem Druck, der 880.000 Mal so hoch ist wie der Druck der Erd­atmosphäre, umgeben sich Beryllium­atome in einem Phosphat-Kristall mit sechs Nachbaratomen statt üblicherweise mit vier. Vor fünf Jahrzehnten wurde diese Kristall­struktur theoretisch vorhergesagt, doch erst bei Hochdruck­experimenten am Deutschen Elektronen-Synchrotron in Hamburg konnte sie nun beobachtet werden. An den Forschungs­arbeiten waren seitens der Universität Bayreuth Leonid Dubrovinsky und Maxim Bykov vom Bayerischen Geoinstitut beteiligt, und ebenso Georgios Aprilis und Anna Pakhomova aus der Arbeitsgruppe für Material­physik und Technologie bei extremen Bedingungen im Labor für Kristallo­graphie.

Abb.: Hurlbutit-Kristalle in der Diamant­stempelzelle, die für die...
Abb.: Hurlbutit-Kristalle in der Diamant­stempelzelle, die für die Hochdruck­experimente eingesetzt wurde. Die Kristalle sind jeweils rund zehn Mikrometer groß. (Bild: A. Pakhomova, DESY)

Ursprünglich galt es als prinzipiell ausgeschlossen, dass Beryllium­atome in Kristallen mehr als vier Nachbaratome haben können. Dies schien mit den Gesetzen des Perioden­systems über lange Zeit unvereinbar zu sein. „Vor rund fünfzig Jahren entdeckten Theoretiker dann, dass höhere Koor­dinationen tatsächlich möglich sein könnten, aber diese haben sich hartnäckig der experi­mentellen Bestätigung in anorganischen Verbindungen entzogen“, berichtet Anna Pakhomova. Hochdruck­experimente an der Röntgenlicht­quelle Petra III haben erstmals den empirischen Nachweis ermöglicht. Die Forscher haben dafür Proben des Phosphat-Kristalls Hurlbutit untersucht, eines seltenen Minerals, das aus Kalzium, Beryllium, Phosphor und Sauerstoff besteht und an der Erdober­fläche vorkommt.

In Hurlbutit hat jedes Beryllium­atom unter normalen Umgebungs­bedingungen vier Sauerstoff­atome als Nachbarn. Bei einem 700.000-fachen Atmosphären­druck ändert sich die Kristall­struktur jedoch so grundlegend, dass Beryllium-Atome einen fünften Nachbarn bekommen. Ein 880.000-facher Atmosphären­druck erzeugt erneute Struktur­änderungen, die ihnen einen sechsten Nachbarn verschaffen. „Für die neuen Kristalle gibt es derzeit zwar keine techno­logischen Anwendungs­möglichkeiten, aber sie erweitern den Horizont der Material­wissenschaft. Sie zeigen uns, dass sich aus den Normal­bedingungen auf der Erdoberfläche keine unumstößlichen chemischen Gewissheiten ableiten lassen. Extreme Bedingungen und seltene Phänomene, die wir nur mit Hoch­technologien im Labor erzeugen und beobachten können, sind vielerorts im Universum ein Normalfall“, sagt Leonid Dubrovinsky.

U. Bayreuth / JOL

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