09.08.2023

Basis für eine Quanten-Batterie gelegt

Instabile Atomspins lassen sich für etwa zwanzig Millisekunden stabilisieren.

Es sind ganz besondere Diamanten, mit denen an der TU Wien gearbeitet wird: Ihr Kristallgitter ist nicht perfekt regelmäßig, es enthält zahlreiche Defekte. An Stellen, an denen sich in einem perfekten Diamanten zwei benachbarte Kohlenstoff­atome befinden würden, sitzt ein Stickstoff­atom, der zweite Platz bleibt frei. Mit Hilfe von Mikrowellen kann man diese Defekte zwischen einem Zustand höherer Energie und einem Zustand niedrigerer Energie schalten. Das macht sie zu einem interessanten Werkzeug für neuartige Quanten­sensoren oder Bauteile für Quanten­computer. Nun gelang es, diese Defekte so präzise zu kontrollieren, dass alle Defekte in den Zustand hoher Energie gebracht werden. In diesem verharren sie einige Zeit, bis man dann mit einem winzig kleinen Mikro­wellen-Puls die gesamte Energie freisetzt und alle Defekte gleichzeitig wie eine Lawine in den Zustand niedriger Energie wechseln.

Abb.: Computer­visualisierung des Mikrowellen­resonators mit supra­leitenden...
Abb.: Computer­visualisierung des Mikrowellen­resonators mit supra­leitenden Chips und Diamant. Die silbrige Welle stellt das plötzliche Aussenden eines elektromagnetischen Pulses dar. (Bild: TU Wien)

„Die Defekte im Diamant haben einen Spin, der entweder nach oben oder nach unten zeigt. Das sind die zwei möglichen Zustände, in denen sie sich befinden können“, sagt Wenzel Kersten aus der Forschungs­gruppe von Jörg Schmiedmayer am Wiener Atominstitut. Mit Hilfe eines Magnetfelds kann man erreichen, dass zum Beispiel der Zustand „Spin nach oben“ einer höheren Energie entspricht als „Spin nach unten“. In diesem Fall werden sich die meisten Atome im Zustand „Spin nach unten“ befinden – sie streben normaler­weise in den Zustand niedriger Energie. Nun kann man aber eine Inversion erzeugen und die Defekte dazu bringen, sich alle im Zustand höherer Energie einzufinden. „Man verwendet dafür Mikrowellen­strahlung, durch die man die Spins zunächst in den gewünschten Zustand bringt, dann verändert man das äußere Magnetfeld so, dass die Spins gewissermaßen in diesem Zustand eingefroren werden“, erklärt Stefan Rotter vom Institut für Theoretische Physik.

Eine solche Inversion ist instabil. Die Atome könnten prinzipiell spontan ihren Zustand wechseln. Aber das Forschungsteam konnte zeigen: Durch die extrem präzise Kontrolle, die durch eine eigens entwickelte Chip­technologie möglich wurde, kann man die Spins der Atome für etwa zwanzig Milli­sekunden stabil halten. „Für quanten­physikalische Verhältnisse ist das eine gewaltige Zeitspanne. Das ist ungefähr hundert­tausendmal so lange wie es dauert, diesen energiereichen Zustand zu erzeugen oder ihn wieder zu entladen“, sagt Jörg Schmiedmayer. 

Man kann während dieser Zeit die Zustands­änderung aber gezielt herbeiführen – und zwar durch eine sehr kleine, schwache Ursache, etwa einen Mikrowellenpuls von minimaler Intensität. „Er bringt ein Atom dazu, seinen Spin zu wechseln, woraufhin benach­barte Atome ebenfalls ihren Spin wechseln – so entsteht ein Lawineneffekt. Die gesamte Energie wird freigesetzt, und zwar in Form eines Mikrowellenpulses, der rund hundert Milliarden mal stärker ist als jener, mit dem man den Effekt ursprünglich ausgelöst hat“, erklärt Stefan Rotter. Das bietet viele interessante Möglich­keiten: Man kann auf diese Weise etwa schwache elektro­magnetische Pulse verstärken, man könnte das für spezielle Sensoren nutzen, man kann damit eine Art Quanten-Batterie herstellen, mit der sich auf Quantenebene eine gewisse Energie­menge aufbewahren und gezielt freisetzen lässt.  

TU Wien / JOL

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