02.11.2021 • Beschleuniger

Additiv gefertigte Kupferbauteile für Teilchenbeschleuniger

Kompakte Linearbeschleuniger für kleinere Krankenhäuser, Flughäfen und Labore.

Eine neue Generation von Teilchen­beschleunigern soll Krebstherapie, Drogen­fahndung und Material­analyse auf eine höhere Stufe heben: Diese Linear­beschleuniger sind so kompakt, dass sie selbst für kleinere Kranken­häuser, Flughäfen und Labore erschwinglich werden. Um diese Entwicklung zu fördern, setzt das inter­nationale Projekt I.FAST unter Beteiligung des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahl­technik und der Europä­ischen Organi­sation für Kern­forschung CERN auf laser­gestützte 3D-Drucker. Im Rahmen des von der Europä­ischen Kommission im Programm Horizont 2020 kofinan­zierten Vorhabens ist es jetzt weltweit erstmalig gelungen, wichtige Quadrupol-Bauteile für Linear­beschleuniger aus reinem Kupfer­pulver additiv zu fertigen.

Abb.: So sieht ein kom­pletter Quadru­pol in klas­si­scher Bau­weise aus....
Abb.: So sieht ein kom­pletter Quadru­pol in klas­si­scher Bau­weise aus. Hinter­ein­ander ge­schaltet be­schleu­nigen diese Vierer-Elek­tro­den zum Bei­spiel Pro­to­nen auf sehr hohe Ge­schwin­dig­kei­ten. (Bild: CERN)

Das eröffnet perspektivisch neue Wege hin zu einer kommer­ziellen Produktion und zum praktischen Einsatz derartiger Anlagen, die auf dem Prinzip der „High Frequency Radio Frequency Quadrupole“ basieren. Möglich sind damit zum Beispiel bessere und stärker auto­ma­ti­sierte Drogen- und Waffen­kontrollen auf Flughäfen. „Damit können wir die Fertigungs­zeiten deutlich verkürzen«, prognos­tiziert Samira Gruber vom Fraunhofer-IWS. „Möglich wird so beispiels­weise ein schneller Proto­typen­bau. Dies kann die Weiter­entwicklung der Beschleuniger­technologie deutlich voran­bringen.“ Durch die additive Fertigung lässt sich außerdem Material einsparen und so der Ressourcen­verbrauch von Kupfer im Vergleich zu klassischen Verfahren verringern.

Hochfrequenz-Quadrupole, die auf einer neuen, am CERN entwickelten Technologie basieren, sind die entscheidenden Bauteile und Taktgeber für diese neue Generation von Anlagen. In den Quadrupolen stehen sich vier abwechselnd gepolte Elektroden gegenüber, die sich wie Blüten­blätter um eine zentrale Teilchen­flugbahn anordnen. Legt der Nutzer eine Wechsel­spannung an, bauen sich schnell wechselnde elektrische Felder auf. Diese schicken die Teilchen zwischen den wellig geformten Elektroden­spitzen auf eine Art Wellenritt, der sie immer näher an die Licht­ge­schwindig­keit heranbringt. Anders als Ring­beschleuniger nehmen diese Linear­beschleuniger oft kaum mehr Raum als ein Wohnzimmer ein.

Weil die Anlagen im Langzeit­betrieb viel Abwärme erzeugen, bestehen die takt­gebenden Quadrupole aus reinem Kupfer. Denn dieses Metall leitet Strom und Wärme besonders gut. Bisher war die Produktion der Quadrupole allerdings sehr aufwändig: Sie werden aus Halbzeugen in Form gefräst und dann aus sehr vielen Einzel­teilen zusammen­gesetzt. Deshalb haben die I.FAST-Forscher eine Alternative entwickelt. Sie schmelzen dafür mit einem grünen Laser reines Kupfer­pulver auf. Aus dieser Metall­schmelze formen sie dann das Viertel­segment eines Quadrupols. Dabei sparen sie Material überall dort ein, wo es für die Bauteil­festigkeit nicht gebraucht wird. In klassischen Metall­verarbeitungs­verfahren dagegen ist diese Bauteil­opti­mierung sehr aufwändig, an manchen Stellen sogar überhaupt nicht machbar. Die neue Fertigungs­methode mindert insofern den Kupfer­verbrauch und sorgt für leichtere Quadrupol-Segmente, die innerhalb eines Tages fertig aufgebaut sind.

Eine Vergrößerung des Bauraumes von Laser­schmelz­anlagen mit grünem Laser wird es demnächst ermöglichen, ganze Quadrupol-Segmente per 3D-Druck herzu­stellen. Aber auch mit den jetzt erzeugten Viertel­segmenten sind bereits die nächsten Projekt­phasen möglich. Zum Beispiel weisen die Bauteile aus der additiven Fertigung erfahrungs­gemäß raue Ober­flächen­topologien auf. Zu analysieren ist daher an Protoptypen, ob und wie die 3D-Druck-Quadrupole nach­träglich geglättet werden müssen – beispiels­weise durch eine plasma- oder elektro­chemische Politur.

Auf der Projektagenda stehen außerdem Versuche, ob und wie sich kleine Verschleiß­schäden an Beschleunigern mithilfe additiver Fertigungs­techno­logien nachträglich reparieren lassen, ohne ganze Bauteile verschrotten zu müssen. „Wir wollen aber auch unter­suchen, welche anderen Werkstoffe und Bauteile für die additive Fertigung für Beschleuniger in Frage kommen“, sagt Gruber.

Denn die Linearbeschleuniger sind nicht nur für Teilchen­physiker interessant. Auf dem Gebiet der Medizin­technik lassen sie sich sowohl für die Protonen­therapie gegen Tumore im Bauchraum oder im Gehirn einsetzen als auch für die Herstellung medizinischer Isotope. Am CERN werden noch viele andere Anwendungen für die Quadrupol-Beschleuniger erforscht – einschließlich der Material­analyse – mit dem Ziel, Meister­werke der Kunst zu unter­suchen. Beschleuniger bieten erhebliche Markt­chancen: Momentan sind weltweit etwa 30.000 Beschleuniger im Einsatz. Mit diesen Anlagen fertigen und analysieren Unter­nehmen und Institute rund um den Erdball industrielle Waren im Wert von etwa 500 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Fh.-IWS / RK

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