14.06.2021

2D-Materialien maßgeschneidert

Neuer Weg hin zu ultradünnen und funktionellen Materialien.

Ein inter­nationales Forscherteam, angeführt von Mitgliedern der Tech­nischen Universität München, des Deutschen Museums und der Univer­sität Linköping, hat ein Verfahren entwickelt, um zwei­dimensionale Polymere mit der Dicke nur einer Moleküllage durch Licht­einwirkung auf einer Graphit-Oberfläche herzustellen. Die Entwicklung ebnet den Weg zu neuen ultra­dünnen und funk­tionellen Materialien.

Abb.: Markus Lackinger transferiert mittels Vakuum­greifer eine Probe in der...
Abb.: Markus Lackinger transferiert mittels Vakuum­greifer eine Probe in der Ultrahoch­vakuum-Kammer. (Bild: A. Heddergott, TUM)

Die Suche nach neuen zweidimen­sionalen Materialien hat sich nach der Entdeckung von Graphen stark intensiviert. Zwei Haupt­ansätze werden bisher verwendet, um ultradünne Materialien herzustellen: Beim ersten wird eine zusammenhängende Lage von Molekülen oder Atomen von schicht­förmigen Kristallen eines Ausgangsmaterials abgelöst. Graphen ist ein Beispiel für ein solches Material. Ein anderer Ansatz ist der Aufbau des Materials Molekül für Molekül, indem auf verschiedene Weise Bindungen zwischen den Molekülen hergestellt werden. Das Problem dabei ist, dass die Materia­lien oft kleinteilig und wenig stabil sind und viele Defekte enthalten. Dies schränkt die möglichen Anwendungen erheblich ein. 

Die Forscher haben dazu nun ein neues Verfahren zur Herstellung zweidimensionaler Polymere entwickelt. Die Entdeckung ermöglicht die Entwicklung neuer ultradünner Funktions­materialien mit präzise definierten, kristallinen Strukturen. Als Ausgangs­punkt verwendeten sie ein Molekül namens „Fantrip“. Es ist eine Verbindung zweier Kohlenwasser­stoffe, fluoriertes Anthracen und Triptycen. Die spezifischen Eigen­schaften von Fantrip bewirken, dass sich die Moleküle spontan zu einer Struktur anordnen, wenn sie selbst­organisiert auf eine mit einer mit einer ultradünnen Wachsschicht überzogene Graphit­oberfläche abgeschieden werden. 

Im zweiten Schritt wird diese Struktur mit Hilfe von Licht fixiert – die Photopoly­merisation. Die Moleküle werden von einem violetten Laser beleuchtet, der die Elektronen in der äußersten Elektronen­hülle anregt. Dadurch bilden sich starke und dauerhafte Bindungen zwischen den Molekülen aus. Das Ergebnis ist ein poröses zweidimen­sionales Polymer mit einer Dicke von einem halben Nanometer, das aus mehreren hundert­tausend identisch verknüpften Molekülen besteht, also ein Material mit nahezu perfekter Ordnung bis auf die atomare Ebene.

Da die Photopoly­merisation auf einer Graphit-Oberfläche durchgeführt wird, ist es möglich, den Prozess im molekularen Maßstab mittels Rastertunnel­mikroskopie zu verfolgen. Dies zeigt die neu gebildeten Bindungen des Netzwerks. Um die Strukturmodelle zu bestätigen, hat die Forschungsgruppe um Jonas Björk simuliert, wie die molekularen Netzwerke in verschiedenen Reaktions­stadien jeweils im Rastertunnel­mikroskop aussehen würden. Jonas Björk von der Universität Linköping gelang mit dem Hochleistungsrechner des National Super­computer Center in Linköping, die Experimente zu validieren und die für den Erfolg der Methode wichtigen Schlüssel­faktoren herauszu­arbeiten. 

„Wir sehen, dass die Simulationen bis ins kleinste Detail mit dem Experiment über­einstimmen, und wir können auch verstehen, warum unser spezielles System so gute Resultate liefert“, sagt Björk. „Im nächsten Forschungs­schritt werden wir untersuchen, ob sich mit der Methode auch andere Moleküle zu neuen zweidimen­sionalen und funktionellen Materialien verknüpfen lassen. Durch die Verbesserung der Methode können wir auch die Eigen­schaften der hergestellten ultra­dünnen Materialien steuern und maßschneidern.“

„Die Herstellung kova­lenter Bindungen zwischen Molekülen erfordert viel Energie. Die gängigste Art der Energie­zufuhr ist die Erhöhung der Temperatur. Sie versetzt jedoch auch die Moleküle in Bewegung und lässt so die selbst-orga­nisierte Struktur verschwimmen. Werden die kovalenten Bindungen dagegen mit Licht erzeugt, bleibt die Struktur erhalten und wird auf diese Weise fixiert – genau so, wie wir es wollen“, sagt Forschungsgruppen­leiter Markus Lackinger. Damit das Material nicht verunreinigt wird, erfolgt die Poly­merisation im Vakuum. Das fertige zwei­dimensionale Polymer ist jedoch auch unter atmosphärischen Bedingungen stabil, was für zukünftige Anwendungen entscheidend ist. Markus Lackinger glaubt daher, dass das Material viele nützliche Anwendungen finden wird. „Die nahe­liegendste Anwendung ist die Verwendung des Materials als Filter oder Membran, aber auch Anwendungen, von denen wir derzeit keine Vorstellung haben, in ganz anderen Zusammen­hängen könnten sich schon in naher Zukunft abzeichnen“, sagt Lackinger. 

TUM / JOL

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