23.05.2019 • AstrophysikPlanetenforschung

18 erdgroße Exoplaneten entdeckt

Neue Analysemethode spürt kleine Exoplaneten, die bisherige Suchen übersehen haben.

Gleich eineinhalb Dutzend erdgroße Exoplaneten haben Wissenschaftler des MPI für Sonnensystemforschung, der Uni Göttingen und der Sternwarte Sonneberg entdeckt. All diese Welten haben eine Gemeinsamkeit: Bisherige Suchkampagnen haben sie übersehen, weil sie so klein sind. Einer der neuen Exoplaneten zählt zu den kleinsten bisher bekannten, ein weiterer könnte lebensfreundliche Bedingungen aufweisen. Die Forscher werteten einen Teil der Daten des Nasa-Weltraumteleskops Kepler mit einer von ihnen entwickelten, empfindlicheren Methode erneut aus. Im gesamten Datenschatz der Kepler-Mission müssten sich auf diese Weise noch mehr als hundert zusätzliche Exoplaneten ausfindig machen lassen, rechnen die Wissenschaftler hoch.
 

Etwas mehr als vier­tausend Exoplaneten sind bisher bekannt. Von diesen sind etwa 96 Prozent deutlich größer als unsere Erde, die meisten davon eher vergleich­bar mit den Abmessungen der Gasriesen Neptun oder Jupiter. Allerdings dürfte dieser Prozentsatz nicht die wirklichen Verhält­nisse im Weltall wider­spiegeln, denn große Planeten lassen sich deutlich leichter aufspüren als kleine. Doch gerade die kleinen Welten faszinieren, wecken sie doch die Hoffnung, irgendwo im All erdähnliche Planeten zu finden.

Auch die 18 neu entdeckten Welten fallen in die Kategorie erd­großer Planeten. Der Radius der kleinsten misst nur 69 Prozent des Erd­radius; die größte überragt die Erde um kaum mehr als das Zweifache. Und es gibt eine weitere Gemein­samkeit: Sie alle ließen sich bisher in den Daten des Weltraum­teleskops Kepler nicht ausfindig machen – gängige Suchalgorithmen waren dafür nicht empfind­lich genug.

Üblicherweise nutzen Astronomen die Transit-Methode und suchen gezielt nach periodisch wieder­kehrenden Helligkeits­abfällen bei Sternen. Jedes Mal, wenn ein Exoplanet auf seiner Umlaufbahn von der Erde aus gesehen vor seiner Sonne vorüber­zieht, verdunkelt er sie leicht.

„Bisherige Such-Algorithmen versuchen, sprung­hafte Helligkeits­abfälle zu identifi­zieren“, erklärt René Heller vom MPS. „In Wirklich­keit erscheinen Sterne am Rand etwas dunkler als in der Mitte. Wenn ein Planet vor einem Stern entlang zieht, blockiert er anfangs weniger Stern­licht. Erst zur Mitte des Transits erscheint der Stern am dunkelsten. Danach wird er wieder graduell heller“, ergänzt er.

Große Planeten verdunkeln ihren Stern so stark, dass dieser feine Unter­schied bei ihrer Entdeckung kaum eine Rolle spielt. Kleine Planeten jedoch stellen Wissen­schaftler vor immense Heraus­forderungen. Der Helligkeits­abfall ist oftmals zu gering, um in den natürlichen Helligkeits­schwankungen des Sterns und im Rauschen des Mess­instruments aufzu­fallen. Wie das Team um Heller nun zeigen konnte, lässt sich die Empfind­lichkeit der Transit-Methode durch Verwenden eines realis­tischeren Helligkeits­verlaufs entscheidend verbessern.

Als Prüfstein dienten den Forschern Daten des Nasa-Weltraum­teleskops Kepler. In der ersten Missionsphase von 2009 bis 2013 zeichnete das Teleskop den Helligkeits­verlauf von mehr als 100.000 Sternen auf. Mehr als 2300 Planeten wurden so entdeckt. Nach einem technischen Defekt ließ sich das Teleskop nur noch einge­schränkt nutzen, richtete seinen Blick dennoch bis zum Missions­ende 2018 auf mehr als 100.000 weitere Sterne.
Um das Potential ihres neuen Algo­rithmus zu testen, wandten sich die Forscher in einem ersten Schritt den überschau­bareren Daten der zweiten Missions­phase zu. Speziell unter­suchten sie alle 517 Sterne erneut, von denen bereits bekannt war, dass sie mindestens einen planetaren Begleiter aufweisen.

Neben den bereits dokumen­tierten Planeten stießen die Forscher auf 18 weitere, die bisher übersehen worden waren. „In den meisten der von uns unter­suchten Planeten­systemen sind die jetzt gefundenen Planeten die kleinsten“, beschreibt Kai Rodenbeck von der Uni Göttingen und vom MPS die Ergebnisse. Zudem kreisen sie fast immer weiter innen um ihren Stern als ihre schon länger bekannten Weg­gefährten. Auf den Ober­flächen fast aller dieser neuen Planeten herrschen deshalb Tempera­turen von weit über hundert Grad Celsius; bei einigen sind es sogar bis zu tausend Grad Celsius. Nur einer der Körper bildet eine Ausnahme: Er kreist innerhalb der habi­tablen Zone um einen roten Zwergstern. In diesem günstigen Abstand zu seinem Stern bietet dieser Planet eventuell Bedingungen, unter denen flüs­siges Wasser auf seiner Ober­fläche vorkommen könnte – eine der Grund­bedingungen für Leben.

„Unser neuer Algorithmus trägt dazu bei, ein realistischeres Bild von der Exo­planeten-Population im Weltall zu gewinnen“, bilan­ziert Michael Hippke von der Stern­warte Sonneberg. „Vor allem für die Suche nach erd­ähnlichen Planeten bedeutet unsere neue Methode einen maßgeblichen Fort­schritt.“

Natürlich können die Forscher nicht ausschließen, dass auch ihre Methode für einzelne Planeten blind ist. Besonders proble­matisch sind beispiels­weise kleine Planeten, die in beträcht­lichem Abstand um ihren Stern kreisen. Sie benötigen für einen Umlauf um ihren Stern länger als solche Planeten, die ihren Stern eng umrunden – und verdunkeln ihn somit in größeren Zeit­abständen. Ihr ohnehin schwaches Signal ist so noch schwieriger auszumachen.

Die neue Methode von Heller und seinen Kollegen eröffnet faszi­nierende Möglich­keiten, denn neben den 517 jetzt nach­unter­suchten Sternen bietet die Kepler-Mission noch Datensätze von hundert­tausenden weiteren Sternen. Die Forscher gehen davon aus, dass sie mit ihrer Methode in den Kepler-Daten mehr als hundert weitere erdgroße Welten finden können. „Auch für die künftige Plato-Mission der Esa ist diese neue Methode wertvoll“, so MPS-Direktor Laurent Gizon. Plato soll 2026 ins All starten und dann zahlreiche Exo­planeten-Systeme um sonnen­ähnliche Sterne finden und näher charakte­risieren.

MPS / od

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