24.10.2003

Einsteins Schleier - Die neue Welt der Quantenphysik

Anton Zeilinger, Einsteins Schleier - Die neue Welt der Quantenphysik, C. H. Beck, München 2003, 237 S., Geb., ISBN 3406502814

Zeilinger

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Es gibt sie also: Bücher, die öffentlichkeitswirksam und fundiert zugleich sind. Zeilingers Schilderung der Quantenphysik beweist es. Der Autor, bekannt als „Quantenteleportator“ und „Fullereninterferent“, legt hier eine populäre Gesamtschau der Quantenwelt mit Begeisterungspotenzial vor.

Ausgehend von der Frage nach der Natur des Lichts wird der Leser mit Gedanken- und Laborexperimenten bekannt gemacht, die zum begriff­lichen Verständnis der Quantentheorie beitragen. Superpositionzustände, Komplementarität und verzögerte Wahl von Messgrößen ('Welcher-Weg-Experimente') sind der Stoff des geistigen Abenteuers, das von Materiewellen bis zu „Quantenbomben“ reicht. Das unvermeidliche Kapitel über Quantenkryptographie, -teleportation und -computer bleibt erfreulich knapp, nie verliert Zeilinger das interpretatorisch Wesentliche aus den Augen.

Die eigene Neugier und das Grundlageninteresse des Autors sind durchgängig spürbar. In lockerem Plauderton überträgt er seine Faszination über die Eigentümlichkeiten der Quanten auf den Leser, ohne sich in experimentellen oder mathematischen Details zu verlieren. Fesselnd wirkt die Sache selbst, nicht ihre sprachliche Verpackung oder ihre technische Nutzanwendung. Ein tiefes Verständnis der Naturgesetze ist als Kulturleistung ein Wert an sich - keine leichte Aufgabe, davon Nichtphysikern eine Ahnung zu geben. Zeilinger gelingt es, sozusagen nebenbei.

Er verzichtet auf Parallel-Universen oder eine modische Überbewertung von Dekohärenz. Stattdessen baut er auf die bewährte Kopenhagener Sicht. Er ist dabei nie in Gefahr, sie subjektivistisch misszuverstehen, sondern betont die Objektivität des Zufalls und die Rolle der Messanordnung. Zeilingers Suche nach einem einzigen einfachen Deutungsprinzip führt ihn im Schlusskapitel zu einer Art quantenlogischem Atomismus: Unbestimmtheit, Komplementarität und Verschränkung sollen aus der Begrenztheit der Information folgen, die ein elementares Quantensystem tragen kann.

Information wird so zum Fundamentalbegriff. Die Grund­idee verdient Beachtung, das Zeilingersche Äquivalenzprinzip 'Wirklichkeit und Information sind dasselbe' kann hingegen wohl kaum als ausgereift gelten. Der Ausflug ins Zweifelhafte findet jedoch (im Gegensatz zur Mehrzahl derartiger Bücher) erst auf den letzten sieben Seiten statt und ist obendrein als unsicheres Terrain gekennzeichnet.

Man sollte sich daher weder vom eigenwilligen Titel (eine Anspielung auf Einsteins Bemerkung über de Broglies Dissertation, dieser habe „einen Zipfel des großen Schleiers gelüftet“) noch vom etwas großspurigen Klappentext abschrecken lassen. Wer auf Zitate von Originalarbeiten verzichten kann und bereit ist, gelegentliche Längen oder Wiederholungen in Kauf zu nehmen, wird auch als Physiker noch Gewinn aus Zeilingers Buch ziehen. Wer indes fachfremde Freunde hat, sollte „eines kaufen und dran denken, noch ein zweites zu verschenken“.

Dipl.-Phys. Helmut Fink,
Institut für Theoretische Physik I, Universität Erlangen-Nürnberg

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