13.11.2017

Einsteins Irrtum

David Bodanis: Einsteins Irrtum, DVA Sachbuch 2017, geb., 336 S., ISBN 9783421047540

David Bodanis

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In seinem neuen Buch thematisiert der Autor den „Irrtum“ Einsteins: Einstein wollte die Quanten­mechanik Heisenbergs nicht akzeptieren, da sie seiner Vorstellung von einer physikalischen Theorie nicht entsprach. Er kritisierte, dass die Quantenmechanik in der Welt der Atome die Elementarprozesse nicht deterministisch vorhersagen, sondern nur Wahrscheinlichkeitsaussagen machen kann, und hielt deshalb die Theorie nicht für vollständig. Dadurch geriet Einstein ab 1927 unter seinen Fachkollegen in eine Außenseiterrolle und verfolgte die Entwicklung der Physik nur noch am Rande, während er vergeblich versuchte, klassische Elektrodynamik und Gravitation zu einer gemeinsamen Feldtheorie zu vereinigen.

Natürlich behandelt das Buch Einsteins überragende Leistungen: die Spezielle und Allgemeine Relativitätstheorie sowie die Äquivalenz von Masse und Energie. Die Periode von Einsteins Aufstieg zum weltbekannten Forscher schildert Bodanis lebendig und anekdotenreich. Besonders unterhaltsam werden die Bestätigung der Lichtablenkung im Schwerefeld der Sonne bei der Sonnenfinsternis 1919 und die Entwicklung der kosmologischen Modelle Einsteins beschrieben. Einstein setzte zunächst ein statisches Universum voraus und ergänzte dazu seine Feldgleichungen durch die kosmologische Konstante. Später korrigierte er die Gleichungen, indem er diese „größte Eselei“ wieder wegließ, und ermöglichte damit ein expandierendes Universum.
Weniger gelungen sind die historischen Teile und die persönlichen Bewertungen, die der Autor vornimmt. Sie sind teilweise ungenau recherchiert. Einsteins Onkel und Lehrmeister Jakob war kein Autodidakt, sondern hatte am Polytechnikum in Stuttgart studiert und kannte Maxwells Gleichungen. Die Firma J. Einstein & Cie. wurde in München nicht unfair benachtei­ligt, sondern erhielt den Zuschlag für die Beleuchtung des Oktober­festes 1888 und die Straßenbeleuchtung des Stadtteils Schwabing. Dass der Auftrag für die gesamte Münchner Straßenbeleuchtung an die Firma Schuckert ging, lag an deren wesentlich kostengünstigerem Angebot auf der Basis von Wechselstrom.

Den Schweizer Universitäten unterstellt Bodanis eine „antisemitische Strategie“: Juden seien in Fachgebiete wie theoretische Physik gedrängt worden, die als zweitrangig gegenüber den Ingenieurwissenschaften galten. Das entbehrt jeder Grundlage: Einstein hatte selbst entschieden, nicht als Ingenieur in die Firma des Vaters einzutreten, sondern sich der reinen Wissenschaft zu widmen. Einsteins Freund Michele Besso wurde Elektro­ingenieur, was Einstein bedauerte, es sei „sehr schade um seine hervorragende Intelligenz“. Ein weiterer Freund, Marcel Grossmann, wurde Mathematik-Professor an der ETH Zürich, die später auch Einstein berufen hat.

Merkwürdig ist die Verharmlosung der amerikanischen Atombombe. „Eine große Nation“ konnte Uran so „aufbereiten“, dass ein „Energieschub“ über Hiroshima folgte. Unerwähnt bleibt Einsteins Brief vom 2. August 1939, in dem er den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt zum Bau der Bombe aufforderte.

Während der Autor Einstein als „größtes Genie aller Zeiten“ rühmt, behandelt er die Erfinder der Quantenmechanik teilweise herabsetzend und verächtlich. Max Born befinde sich nicht annähernd auf Einsteins Niveau, und Werner Heisenberg sei kein zivilisierter Mensch. Diese Bemerkungen trüben den Eindruck, den man ansonsten von dem Buch gewinnt, und verhindern eine Empfehlung. Die Schöpfer der Quantenmechanik jedenfalls haben Recht behalten.

Prof. Dr. Konrad Kleinknecht,
München

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