Obwohl Jets in verschiedenen astrophysikalischen Szenarien auftreten, ist bisher wenig über die zugrundeliegenden Mechanismen bekannt. Ihre schnelle zeitliche Variation bei Gammablitzen könnte es erlauben, die Struktur und den Emissionsmechanismus besser zu verstehen. Die Multimessenger-Beobachtungen des Gammablitzes GRB 170817A haben erste Einblicke gewährt und an bestehenden Modellen gerüttelt.
Um zu verstehen, wie ein astrophysikalischer Jet funktioniert, gilt es zunächst, seinen Erzeugungsmechanismus zu entschlüsseln. Außerdem stellen sich die Fragen, wie die Beschleunigung auf nahezu Lichtgeschwindigkeit und die Kollimation erfolgen, was seine innere geometrische Struktur ausmacht und welcher Mechanismus der Strahlungsemission zugrundeliegt. Um diese zu beantworten, scheinen die Jets bei Gammablitzen deutlich besser geeignet als diejenigen aus dem Kern Aktiver Galaxien: Während letztere sich auf Zeitskalen von vielen Jahren entwickeln, variieren Gammablitze deutlich schneller. Im Folgenden zeigt das Beispiel von GRB 170817A, wie neue Untersuchungen unseren Blick auf die Jets von Gammablitzen verändert haben. Zukünftig sollte die gleichzeitige Beobachtung von Gammablitzen und Gravitationswellen klären, ob es sich dabei um einen Einzelfall handelt oder einen deutlichen Fortschritt im allgemeinen Verständnis.
Gammablitze (engl. Gamma-Ray Bursts, GRBs) stellen die stärksten beobachteten Ausbrüche von elektromagnetischer Strahlung dar: Sie geben binnen einer Sekunde so viel Energie ab wie unsere Sonne während ihrer gesamten Lebensdauer von rund zehn Milliarden Jahren. Wenn die Elektronen in den Schockwellen dieser Ausbrüche mit der umgebenden Materie wechselwirken, entsteht ein Nachleuchten, das mehrere Tage als Röntgenstrahlung, im optischen Bereich und als Radiowellen sichtbar ist. Aufgrund ihrer Dauer und Ursache unterscheidet man zwei Arten von Gammablitzen (Abb. 1). „Lange“ Ausbrüche erzeugen Blitze, die typischerweise zehn bis hundert Sekunden anhalten und bei der Supernova-Explosion massereicher Sterne entstehen. Die Beobachtung von zwei Dutzend Ausbrüchen in geringer Entfernung zu uns belegt dies durch den Nachweis optischen Lichts der Supernova etwa acht bis zehn Tage nach dem Gammablitz [1]. Massereiche Sterne werden nur einige Millionen Jahre alt – im Gegensatz zu unserer Sonne. Daher treten die Strahlungsausbrüche relativ schnell nach der Entstehung des Muttersterns auf. Da massereiche Sterne häufig in Gruppen vorkommen, zeichnen sich die Muttergalaxien langer Ausbrüche wegen der vielen anderen jungen, heißen Sterne durch eine blaue Farbe und eine hohe Sternentstehungsrate aus. Lange Blitze lassen sich bis an den „Rand des Universums“ beobachten: Sie gehören zu den am weitesten entfernten bekannten Objekten. In den vergangenen zehn Jahren dienten sie in der Kosmologie dazu, die Entstehung der ersten Sterne und Galaxien zu untersuchen. (...)