Chaotisches Verhalten ist dadurch charakterisiert, dass sich kleinste Änderungen der Anfangsbedingungen eines nichtlinearen Systems exponentiell auf dessen Entwicklung auswirken – ein Phänomen, das auch als Schmetterlingseffekt bekannt ist. Ein Analogon dazu tritt auch in Quanten-Vielteilchensystemen auf und lässt sich mit besonderen Kommutatoren beschreiben, die aus der Festkörpertheorie bekannt sind.
In einer wenig beachteten, aber weit vorausschauenden Arbeit wies Albert Einstein 1917 darauf hin, dass die dem Bohrschen Atommodell zugrunde liegende Bohr-Sommerfeldsche Quantisierung der elliptischen Elektronenbahnen für nicht-integrable Systeme auf gravierende konzeptionelle Schwierigkeiten stößt [1]. In der Tat scheiterte diese „alte Atomtheorie“, die sich beim Wasserstoffatom als so erfolgreich erwiesen hatte, vor einem Jahrhundert beim Versuch, sie auf kompliziertere atomare und molekulare Systeme zu verallgemeinern.
Es dauerte weitere fünfzig Jahre, bis Martin Gutzwiller in einer Serie bahnbrechender Arbeiten eine methodische Brücke zwischen der klassischen und der Quantenmechanik nicht-integrabler Systeme schlug [2].1) Genauer gesagt verknüpfte er die chaotische Dynamik eines Teilchens in einem klassischen System mit dem Energieniveau-Spektrum des dazu korrespondierenden Quantensystems. Während Bohrs Zugang auf adhoc-Annahmen beruhte, entwickelte Gutzwiller eine konsistente semiklassische Theorie. In deren Rahmen ließ sich zum einen der Erfolg der alten Atomtheorie für integrable Systeme mit stabilen klassischen Bahnen einordnen; zum anderen aber trug sie dem allgemeineren nicht-integrablen Fall adäquat Rechnung, dass sich die klassische Bewegung häufig nichtlinear chaotisch vollzieht. (...)