03.09.2020 • AstrophysikKosmologie

Zoom auf dunkle Materie

Computersimulation zeigt: Große und kleine Halos aus dunkler Materie ähnlich sich.

Ein internationales Forscherteam hat mit Super­computern durch­ge­führte Simula­tionen veröffent­licht, bei denen sich in eine typische Region eines virtu­ellen Universums hinein­zoomen lässt. Der Zoom umfasst eine zuvor unerreichte Detail­schärfe. Dadurch konnte das Team detail­lierte Bilder von Hunderten virtueller Halos aus dunkler Materie erstellen, von den aller­größten bis zu den aller­kleinsten, die man in unserem Universum finden dürfte.

Abb.: Schnitt durch die Simulation mit mehr als zwei Milliarden Licht­jahren...
Abb.: Schnitt durch die Simulation mit mehr als zwei Milliarden Licht­jahren Seiten­länge. Der vergrößerte Ausschnitt zeigt zunächst eine Region mit 700.000 und dann mit 600 Licht­jahren Seiten­länge. Die größten Klumpen im Hauptbild entsprechen großen Galaxien­haufen, während die kleinsten Klumpen in der zweiten Vergrößerung eine Masse ähnlich der Erde haben. (Bild: MPA)

Dunkle Materie spielt eine wichtige Rolle in der kosmischen Entwicklung. Galaxien sind gewachsen, als sich Gas abkühlte und im Zentrum riesiger Halos aus dunkler Materie konden­sierte. Im Laufe der kosmischen Entwicklung entkoppelten die Halos von der Hinter­grund­expansion des Universums infolge der Anziehungs­kraft ihrer eigenen dunklen Materie. Astronomen können aus den Eigen­schaften der Galaxien auf die Struktur großer Halos aus dunkler Materie schließen, aber sie haben keine Informa­tionen über Halos, die zu klein sind, um eine Galaxie zu enthalten.

Die größten Halos aus dunkler Materie im heutigen Universum enthalten riesige Galaxien­haufen. Ihre Eigen­schaften sind gut unter­sucht und sie enthalten über eine Billiarde Sonnen­massen. Anderer­seits sind die Massen der kleinsten Halos aus dunkler Materie unbekannt. Die Theorie der dunklen Materie, die dem neuen Super­computer-Zoom zugrunde liegt, lässt vermuten, dass sie eine Masse ähnlich der Erdmasse haben könnten. Solch kleine Halos wären extrem zahlreich und würden einen beträcht­lichen Anteil der gesamten dunklen Materie im Universum enthalten. Aller­dings würden sie während der gesamten kosmischen Geschichte dunkel bleiben, weil Sterne und Galaxien nur in Halos wachsen, die mindestens eine Million Mal masse­reicher sind als die Sonne.

Das Forschungsteam hat fünf Jahre lang seinen kosmischen Zoom entwickelt, getestet und durch­ge­führt. Damit konnten die Wissen­schaftler die Struktur der Halos aus dunkler Materie mit allen Massen zwischen der Erde und einem großen Galaxien­haufen unter­suchen. In Zahlen: Der Zoom deckt einen Massen­bereich von zwanzig Größen­ordnungen ab.

Überrascht stellten Forscher fest, dass alle Halos sehr ähnliche innere Strukturen aufweisen: Sie sind im Zentrum sehr dicht, werden nach außen hin zunehmend diffuser und in ihren äußeren Regionen gibt es kleinere Klumpen, die um die Halos kreisen. Ohne einen Maßstab ist es fast unmöglich, das Bild eines Halos aus dunkler Materie von der Größe einer masse­reichen Galaxie von einem Halo mit weniger als einer Sonnen­masse zu unter­scheiden. „Unsere Ergebnisse haben uns wirklich über­rascht“, sagt Simon White vom MPI für Astro­physik. „Jeder dachte, dass die kleinsten Klumpen dunkler Materie ganz anders aussehen würden als die großen, die wir schon viel besser kennen. Aber als wir nun endlich in der Lage waren, ihre Eigen­schaften zu berechnen, sahen sie genau gleich aus.“

Das Ergebnis hat auch eine potenzielle praktische Anwendung. Teilchen aus dunkler Materie könnten nahe den Zentren von Halos kolli­dieren und sich – einigen Theorien zufolge – gegen­seitig vernichten, wobei Gamma­strahlung ausge­sendet wird. Die neue Zoom-Simulation erlaubt es den Wissen­schaftlern zu berechnen, wie stark die zu erwartende Strahlung für Halos unter­schied­licher Masse sein würde. Ein Großteil dieser Strahlung könnte von Halos aus dunkler Materie stammen, die zu klein sind, um Sterne zu enthalten. Zukünftige Gamma­strahlen-Observa­torien könnten in der Lage sein, diese Emission nach­zu­weisen und die kleinen Objekte einzeln oder in der Summe sichtbar zu machen. Das würde dann die vermutete Natur der dunklen Materie bestätigen.

MPA / RK

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