23.03.2020

Wie Drohnen Wände hören

Ortung ebener Flächen ist mithilfe von Schall möglich.

Können Wände und ebene Fläche mithilfe von Schallwellen erkannt werden? Mathe­matiker beschäftigen sich mit diesem Problem auf theo­retischer Ebene bereits seit längerer Zeit. „Das Grundszenario ist ein Raum mit flachen Wänden, inklusive Zimmerdecke und Fußboden“, sagt Gregor Kemper vom Lehrstuhl für Algo­rithmische Algebra der Technischen Univ­ersität München. Dabei muss der Raum nicht zwingend eine recht­eckige Form haben. Auch die Neigung der Wände kann detektiert werden. In dem Raum befinden sich mehrere Mikrofone sowie ein Laut­sprecher.

Abb.: Eine Drohne, vier Mikrofone und ein Laut­sprecher: Mehr ist nicht...
Abb.: Eine Drohne, vier Mikrofone und ein Laut­sprecher: Mehr ist nicht nötig, um die Lage von Wänden und anderen ebenen Flächen inner­halb eines Raums zu erfassen. (Bild: TUM)

Frühere Arbeiten konnten bereits mathe­matisch beweisen, dass vier Mikrofone, die im Raum angebracht sind und ein Lautsprecher ausreichen, um die Wände zu lokalisieren und auch ihre Neigung zu berechnen. Dazu müssen die Mikrofone unabhängig voneinander in zufällige Raumpositionen gebracht werden, was einigen Aufwand darstellt und bei einem konkreten Anwendungs­fall unter Umständen gar nicht möglich wäre. Kemper und Boutin gingen daher einen Schritt weiter. Sie platzierten in ihrem theo­retischen Ansatz den Lautsprecher und vier Mikrofone auf einer Drohne, so dass diese das Mess­equipment direkt in den Raum fliegen könnte.

Das Prinzip bleibt bei dem aktuellen Ansatz der gleiche: Sendet der Lautsprecher einen Schall­impuls aus, werden die Schallwellen von den Wänden zurückgeworfen. Diese direkten Reflexionen des Impulses werden als Echos erster Ordnung bezeichnet. Das größte Problem, das die Wissen­schaftler bei der mathe­matischen Machbarkeits­studie lösen mussten: „Jedes Mikrofon nimmt sehr viele Echos auf. Wir müssen genau zuordnen können, welche Echos von welcher Wand stammen“, erklärt Kemper. Die Laufzeit, also die Zeit­differenz von der Aussendung des Schall­impulses bis zum Empfangen des Echos, kann mithilfe der Mikrofone sehr genau bestimmt werden. Alle Laufzeiten, die einer bestimmten Wand zugeordnet sind, stehen in einer ganz bestimmten Beziehung zueinander. Kemper und Boutin entwickelten einen Algorithmus, der diese Beziehung berück­sichtigt und so die einzelnen Echos der richtigen Wand zuordnen kann.

Nachdem die Echos den jeweiligen Wänden zugeordnet wurden, erfolgt die Berechnung der Position und Neigung der Wände durch geo­metrische Verfahren, die der Standort­ermittlung mit GPS ähneln. Ein bekanntes Problem dieser Berechnungen: Sie sind nicht immer zutreffend. Denn es kann vorkommen, dass die Echos zufällig die mathe­matische Beziehung zueinander erfüllen. Dann können sogenannte Geisterwände entstehen. „An sich wäre zu erwarten, dass die Wahrschein­lichkeit von Geister­wänden bei der Befestigung der Mikrofone auf einer Drohne höher ist“, erklärt Kemper. „Denn im Gegensatz zu den frei im Raum angebrachten Mikrofonen haben sie aufgrund der starren Anbringung auf der Drohne einen geringeren Bewegungs­freiraum. Statt zwölf besitzen sie nur sechs Freiheitsgrade.“

Die Frage, wie wahr­scheinlich Geisterwände bei der Vermessung auftreten, führt zur Kernaussage der wissen­schaftlichen Arbeit: Kemper und Boutin haben mathematisch bewiesen, dass die Bewegungs­freiheit der Drohne ausreicht, um sie mit Wahrscheinlichkeit 1, also mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit, in eine Position zu bringen, bei der keine Geisterwände entstehen. „Die sechs Freiheits­grade der Drohne sind genug, damit sich die Mikrofone fast sicher in einer optimalen Position für die Messung befinden“, sagt Kemper. Die einzige Bedingung: Die Mikrofone dürfen nicht auf einer Ebene auf der Drohne angeordnet sein.

In einem nächsten Schritt wird das Szenario der Forscher noch realis­tischer: Sie wollen eine mathe­matische Lösung finden für den Fall, dass es zu Messfehlern oder Messun­genauigkeiten kommt. Auch die Konfi­guration des Lautsprechers und der Mikrofone auf einem boden­gebundenen Fahrzeug wollen sie prüfen.

TUM / JOL

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