07.06.2022 • Energie

Wege zur klimaneutralen Luftfahrt

Zwischenergebnisse des DLR-Projekts EXACT: Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Wasserstoff und nachhaltigen Luftfahrt-Kraftstoffen.

Seit Anfang 2020 arbeiten Wissen­schaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt im Projekt „Exploration of Electric Aircraft Concepts and Technologies“ – kurz EXACT – an Entwürfen für klima­neutrale Verkehrs­flugzeuge. Das Konzept einer Flotte bestehend aus Regional-, Kurz- und Mittel­strecken­flugzeugen mit einer großen Breite von Antriebs­konzepten liegt nun als Zwischen­ergebnis vor. Darunter sind Regional­flugzeuge mit verteilten elektrischen Antrieben sowie Kurz- und Mittel­strecken­flugzeuge mit Turboprop- und Turbofan-Antrieben. Diese können sowohl hybrid­elektrisch mittels Wasserstoff-Brenn­stoff­zelle als auch per Direkt­ver­brennung von Wasserstoff oder nach­haltigen Luftfahrt­kraft­stoffen (kurz SAF, Sustainable Aviation Fuel) betrieben werden.

Abb.: Klima­neutrale Konzept­flug­zeuge. (Bild: DLR: CC BY-NC-ND 3.0)
Abb.: Klima­neutrale Konzept­flug­zeuge. (Bild: DLR: CC BY-NC-ND 3.0)

„Gerade zwischen den Technologie­optionen auf Basis von Wasserstoff und SAF zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Die erarbeiteten Flugzeug­konzepte und Energie­szenarien möchten wir nun zusammen mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft voranbringen und in gemeinsamen Kooperations­projekten für die klima­neutrale Luftfahrt vertiefen“, erklärt Projekt­leiter Johannes Hartmann vom DLR-Institut für System­archi­tek­turen in der Luftfahrt in Hamburg.

Sowohl der vollständige Lebenszyklus der Flugzeuge als auch der Prozess der Gewinnung, des Transports und der Bereit­stellung regenerativer Treibstoffe wurde umfassend in der Analyse der Klima­ver­träg­lichkeit der neuen Konfigurationen berücksichtigt.  Über­geordnetes Ziel des Projekts EXACT ist es, neue Flugzeug­konfigu­ra­tionen zu entwerfen, die mit mindestens siebzig Sitzen und einer Reichweite von zweitausend Kilometern bis zum Jahr 2035 einsatz­bereit sein können.

Die innovativen Flugzeug­entwürfe sollen dabei mittels neuer Technologien keine CO2-Emissionen mehr freisetzen. Hierfür hat das Projektteam im ersten Schritt konven­tionelle Antriebe untersucht, um diese bis ins Detail zu verstehen. Aus diesen Erkennt­nissen konnte das Team unter­schiedliche Antriebs­konzepte und mögliche Flugzeug­konfigu­rationen entwickeln sowie deren Zusammenwirken in einer ganzen Flotte verschiedener Flugzeug­größen bewerten.

Die Zusammenarbeit von zwanzig DLR-Instituten ermöglicht es, den ganzen Lebenszyklus eines Flugzeuges mitzudenken und zu betrachten – von der Produktion über den Betrieb bis hin zur Außerdienst­stellung mit anschließendem Recycling. Hierfür hat das Projektteam im Detail alle Komponenten des jeweiligen Flugzeugs entworfen und geprüft, wie diese zusammen­wirken.

„Als nächstes wollen wir die Anforderungen an die Zulassung und Industria­li­sierung detail­lierter in gemeinsamen Projekten mit der Industrie betrachten“, so Hartmann „Insbesondere mittel­ständische Unternehmen können unsere Flugzeug­konzepte nutzen, um die Vorent­wicklung ihrer Zuliefer­teile für größere Industrie­betriebe frühzeitig zu planen.“

In naher Zukunft könnte SAF die Klimawirkung bereits vermindern. Langfristig bieten diese ebenso wie die Wasserstoff­direkt­ver­brennung das Potenzial, die Klimawirkung um bis zu neunzig Prozent zu senken. Für Flugzeuge mit Wasserstoff­antrieb sind allerdings komplett andere Technologien nötig. Zudem müssen Flughafen­infra­strukturen und Wartungs­betriebe angepasst sowie das Luftfahrt­personal neu ausgebildet werden.

Ein besonderer Fokus liegt auch auf der Betrachtung des Lebenszyklus – nicht nur der Flugzeuge, sondern auch der einzelnen Energieträger. Die Ingenieure und Wissen­schaftler untersuchen die Umwelt­wirkung der einzelnen Flugzeug­typen vom Entwurf bis zur Außer­dienst­stellung. Unter der Umwelt­wirkung verstehen die Forscher nicht nur den Ausstoß von CO2 und Treibhaus­gasen, sondern beispiels­weise auch den Wasser­verbrauch oder die Belastung von Böden durch Schadstoffe. Das heißt, sie betrachten auch die Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima, bevor eine Flugzeug­komponente produziert ist und was nach dem Recycling mit den Materialien geschieht.

Um genügend „grünen“ Wasserstoff zu produzieren, sind Ökostrom und Wasser nötig. In speziellen Industrie­prozessen wird der Wasserstoff zu SAF weiter­ver­arbeitet. Das Projekt EXACT untersucht Szenarien, die Energie­träger zu den Orten an denen Luftfahrt stattfindet, möglichst nachhaltig zu transportieren.

„Die direkte Kopplung solcher Themen mit dem Flugzeug­entwurf und der Technologie­entwicklung ist in unserem Projekt völlig neu. Erdöl wurde seit jeher aus der Erde gewonnen und in Raffinerien zu Kerosin weiter­ver­arbeitet. Nachhaltige Kraftstoffe zu produzieren ist viel komplexer. Solarstrom könnte zum Beispiel in der Wüste gewonnen werden, Wasser gibt es an Küsten. In EXACT erforschen wir, wie diese Energieträger möglichst effizient zu trans­por­tieren und weiter­zu­ver­arbeiten sind, um sie letztlich im Flugzeug zu nutzen“, so Hartmann.

Dabei berücksichtigen die Wissen­schaftler die Kraftstoff­herstellung in Szenarien zur nachhaltigen Energie­gewinnung mit anschließender Produktion von Wasserstoff und SAF bereits bei der Planung neuartiger Flugzeug­typen. Sie setzen dies mit der entsprechend notwendigen Infrastruktur in Verbindung, sodass ein neues Luftfahrt­system von Anfang an nachhaltig und wirt­schaftlich betreibbar geplant wird.

In der zweiten Projekthälfte sollen nun ganzheitliche Lösungen gefunden werden, in denen die Technologie­bausteine optimal inein­ander­greifen. Erst dann ist eine zuverlässige Bewertung der verschiedenen Techno­logien und Energie­träger hinsichtlich ihrer Klimawirkung abschließend möglich.

DLR / RK

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