11.05.2022 • Energie

Wärme verlustfrei speichern

Neues Konzept kann Abwärme von Industrieanlagen über Monate speichern.

Energie langfristig zu speichern ist wohl das größte bisher ungelöste Problem der Energie­wende. An der TU Wien wurde nun ein neuartiger chemischer Wärme­speicher erfunden, mit dem man große Energiemengen auf umwelt­freundliche Weise praktisch unbegrenzt lange speichern kann.

Abb.: Das Team um Franz Winter hat an der TU Wien einen sehr effizienten...
Abb.: Das Team um Franz Winter hat an der TU Wien einen sehr effizienten Wärmespeicher entwickelt. (Bild: TU Wien)

Man verwendet Wärme, um eine chemische Reaktion auszulösen. Dabei entstehen energie­reiche chemische Verbindungen, die problemlos und ohne Energie­verlust monatelang gelagert werden können. Bei Bedarf lässt sich dann die chemische Reaktion umkehren, dabei wird die Energie wieder freigesetzt. So kann man etwa Abwärme von Industrie­anlagen oder auch Sonnenwärme im Sommer speichern, um damit den Winter hindurch Gebäude zu heizen. Die chemische Reaktion und der dafür speziell entwickelte Suspensions­reaktor wurden nun patentiert. Die neue Methode beruht auf der Umwandlung von Wärme­energie in chemische Energie und wieder zurück.

„Es gibt unter­schiedliche chemische Reaktionen, die man für diesen Zweck nutzen kann. Wir verwenden etwa Borsäure, ein festes Material, das wir mit Öl vermischen“, erklärt Franz Winter vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissen­schaften. „Diese ölige Suspension kommt in einen Reaktor, dessen Wand auf eine Temperatur zwischen siebzig und zweihundert Grad Celsius aufgeheizt wird.“ Viele Prozesse in der Industrie finden in diesem Temperatur­bereich statt, daher ist diese Methode optimal geeignet, um Abwärme von Industrie­anlagen zu nutzen, die sonst einfach verlorengehen würde. Man kann solche Tempera­turen aber auch einfach erreichen, indem man Sonnenlicht bündelt.

Durch die Hitze kommt es zu einer chemischen Reaktion – so wird etwa Borsäure in Boroxid umgewandelt, und dabei wird Wasser freigesetzt. Die ölige Boroxid-Suspen­sion kann man dann in Tanks lagern. Wenn man dieser Suspension dann wieder Wasser zuführt, läuft die chemische Reaktion umgekehrt ab, und die gespeicherte Wärme wird wieder freigesetzt. „Damit ist der Kreislauf geschlossen und die Suspension kann ein weiteres Mal verwendet werden“, erklärt Franz Winter. „Im Labor haben wir gezeigt, dass auf diese Weise problemlos viele Auf- und Entladungs­vorgänge möglich sind.“

Die Techno­logie wurde bereits patentiert, nun soll noch genauer untersucht werden, wie sie sich am besten und effizien­testen anwenden lässt. „Für unterschiedliche Anwendungs­bereiche werden unterschiedliche Reaktorgrößen optimal sein“, sagt Franz Winter. „Man muss diese Reaktoren immer als Teil eines Gesamt­systems sehen. Je nachdem, welche Wärmemengen bei welchen Temperaturen etwa in einer Industrie­anlage anfallen und welche anderen energie­technischen Einrich­tungen es dort bereits gibt, muss man den Prozess optimal anpassen.“

Neben Borsäure können auch andere Chemikalien eingesetzt werden – auch Salzhydrate wurden untersucht. Borsäure und Salzhydrate vereinen gleich mehrere Vorteile: Sie sind kosten­günstig und einfach verfügbar, relativ unge­fährlich und über viele Zyklen hinweg stabil und können beliebig lange aufbewahrt werden. Die Reaktor­technologie kann auf industrielle Maßstäbe hochskaliert werden. Das verwendete Öl erlaubt optimalen Wärmetransfer und schützt gleichzeitig den Reaktor während der Reaktion und die Feststoffe während der Lagerung.

Einen genauen Wirkungs­grad des Prozesses kann man derzeit noch nicht angeben – er wird stark davon abhängen, wie der Speicher mit anderen Techno­logien gekoppelt wird. Der große Vorteil ist, die langfristige Speicher­möglichkeit von Wärme­mengen, die sonst einfach verloren­gehen würden, und deren bedarfs­orientierte Nutzung. „Wir wollen nun, auch gemeinsam mit Industrie­partnern, intensiv an dieser Technologie weiter­forschen“, kündigt Franz Winter an. „Wir sind überzeugt davon, dass mit dieser Erfindung ein wichtiger Schritt nach vorne gelungen ist, der in den nächsten Jahren auch den Schritt in die industrielle Anwendung finden wird.“

TU Wien / JOL

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