05.07.2019 • Optik

Virtuell abtauchen

Digitale Unterwassertechnologien bringen die Erforschung der Ozeane voran.

Unterwasserforschung ist aufwändig und für Menschen oftmals mit Gefahren verbunden. Doch es gibt inzwischen ferngesteuerte Unterwasser­fahrzeuge – ROVs – und komplett autonom agierende Unterwasser­fahrzeuge – AUVs. Mit unterwasser­tauglicher Kamera- und Sensortechnik ausgestattet, liefern sie wertvolle Aufnahmen und Erkenntnisse, die Wissen­schaftler ohne ihren Einsatz nicht erhalten würden. In der Ostsee kommen die Tauchroboter unter anderem zur Wartung von Offshore-Anlagen, zur archäologischen Untersuchung von Schiffswracks oder zur Munitions­detektion zum Einsatz.

Abb.: Ein neues modular aufgebautes Unterwasserfahrzeug wird vom Fraunhofer-IGD...
Abb.: Ein neues modular aufgebautes Unterwasserfahrzeug wird vom Fraunhofer-IGD mit einer intelligenten Kamera ausgestattet. (Bild: Fh.-IGD)

Im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt MiRo-Base entwickeln mehrere Partner bis Ende 2020 einen einsatz­bereiten Prototyp einer neuen Unterwasser­fahrzeug-Generation. Dieser soll wendiger, flexibler und mit besserer Technik ausgestattet sein als Fahrzeuge, die heute im Einsatz sind. Anhand von zwei unter­schiedlichen Testsystemen – einem Standard-ROV und einem eigens entwickelten bionischen Fahrzeug nach dem Vorbild der Meeres­schild­kröte – wird ein modulares Fahrzeug­system entwickelt, das ausge­stattet mit einer Vielzahl an Funktionen für unter­schiedlichste Zwecke zum Einsatz kommen kann. Eben diese fehlende Multi­funktionalität ist ein Manko der derzeit gängigen Standard-ROVs.

Im Rahmen des Projekts entwickelt das Fraunhofer-IGD eine intelligente Kamera, die in Echtzeit Unterwasser­aufnahmen verbessert, also Trübe, Unschärfe, Licht­brechungen heraus­rechnet und so das Bild – aufgenommen bei Tauch­gängen mit den Unterwasser­fahrzeugen – deutlich klarer macht. Gleich­zeitig können ihre Algorithmen Objekte eigenständig detektieren und die bereits optimierte Ansicht sowie weitere Informationen live an den Operator des Fahrzeugs übermitteln. So dienen die Aufnahmen nicht nur wie bis dato zur Analyse nach der Tauchfahrt, sondern können noch während des Tauchgangs als wertvolle Daten­sammlung die Entscheidung über die nächsten Schritte beeinflussen. In Zusammen­arbeit mit dem Landesverband für Unterwasser­archäologie Mecklen­burg-Vorpommern werden in den nächsten Wochen bei Test-Tauch­gängen zu Schiffswracks in der Warnow und Ostsee Standard-ROV-Systeme auf Herz und Nieren geprüft, um Anforderungen an eine detail­liertere Steuerungs­mechanik abzuleiten und den derzeitigen Entwicklungs­stand des Kamera­systems zu testen.

Um auch in extremen Tiefen verwertbare Bildinformationen zu erhalten, müssen Unterwasser­fahrzeuge mit leistungsfähigen Sensor- und Sonar­systemen ausgestattet werden. Etablierte Systeme auf Basis von optischen oder akustischen Sensoren haben heute noch erhebliche Defizite. Sie können oft nur in der Kombination verschieden­artiger Systeme und spezieller Träger­fahrzeuge ein hinreichend genaues und robustes Bild der Unterwasser­situation, wie Bodenstrukturen, Kabel- oder Pipeline­installa­tionen, Organismen­besiedlung oder Rohstoff­verteilung liefern. Auch hier arbeitet das Fraunhofer-IGD gemeinsam mit Partnern an einer Lösung: im Rahmen des vom Bundes­ministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekts „Akustisches Auge“ wird ein neuartiges akustisches 3D-Bildgebungs- und Vermessungs­system entwickelt. Bionische Erkenntnisse aus der Signal­verarbeitung von Fleder­mäusen und Delphinen ermöglichen die Gewinnung und Echtzeit­auswertung von komplexen akustischen Raum- und Spektral­informationen. Dank der Datenaufbereitung und Live-Visuali­sierung kann der Operator eines ROVs mittels einer Datenbrille die Beschaffen­heit des Meeresbodens, teilweise sogar unterhalb der sichtbaren Oberfläche erkennen. Das kann nicht nur zur schnelleren Detektion von Schiffs­wracks beitragen, sondern auch verlegte Kabel oder Pipelines auf Lecks unter­suchen oder zur Sondierung natürlicher Mangan­vorkommen genutzt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist diese mit einer aufwändigen manuellen Ausmessung eines Gebiets mit anschließenden Boden­proben verbunden. Als intelli­gentes Sensor­system in Unterwasser­fahrzeugen übernimmt und erleichtert das „Akustische Auge“ Ausmessung, Detektion und genaue Definition des Mangan­vorkommens.

Ob die Entwicklung neuer Steuerungseinheiten oder Sensorsysteme für Fahrzeuge, das Testen von Bildverbesserungsalgorithmen oder die Erprobung neuester Schutz­materialien für Offshore-Anlagen – alle Unterwassert­echnologien haben eins gemein: Es fehlt bislang an der Möglichkeit, neue Entwicklungen unter echten Bedingungen zu testen. Strömung, Salzgehalt, Sicht­bedingungen und alle weiteren natürlichen Einflüsse im offenen Meer lassen sich in Forschungs­becken und Drucktanks nur bis zu einem bestimmten Grad künstlich herstellen. Abhilfe soll das „Digital Ocean Lab“ schaffen, das vor der Küste Nienhagens eingerichtet wird und unter der Leitung des Fraunhofer-IGD Industrie wie Forschung mit verschiedenen angelegten Feldern eine optimale Umgebung für Praxistests unter realen Bedingungen bietet. Das Vorhaben ist der Ausgangs­punkt für Rostocks Großprojekt „Ocean Technology Campus“, in dem der techno­logische Wissens­transfer verschiedener Akteure im Unterwasser­bereich aus Wissen­schaft und Wirtschaft durch optimale Rahmen­bedingungen gelingen kann. Ein Forschungs­verbund verschiedener Fraunhofer-Institute wird bereits im Herbst 2019 seine Arbeit im Rostocker Fischerei­hafen aufnehmen. Im Rahmen der inter­nationalen Fach­veranstaltung „Digital Ocean Convention Rostock“ fällt am 9. August der symbolische Startschuss für die Ausbau­arbeiten des „Digital Ocean Lab“.

Fh.-IGD / RK

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