16.09.2020

Ungewöhnlicher magnetoelektrischer Effekt

Langasit-Kristall zeigt überraschend nichtlinearen Abhängigkeit von elektrischen und magnetischen Feldern.

Elektrizität und Magnetismus hängen eng miteinander zusammen: Strom erzeugt ein Magnetfeld, rotierende Magnete in einem Generator erzeugen Strom. Viel komplizierter ist aber das Phänomen, das auch elektrische und magnetische Eigenschaften bestimmter Materialien miteinander koppelt. Elektrische Eigenschaften mancher Kristalle kann man durch Magnetfelder beeinflussen – und umgekehrt: der „magneto­elektrische Effekt“. Er spielt eine wichtige technologische Rolle, etwa für bestimmte Sensoren, oder auch für die Suche nach neuen Konzepten der Daten­speicherung.

Abb.: Lukas Weymann im Labor an der TU Wien (Bild: TU Wien)
Abb.: Lukas Weymann im Labor an der TU Wien (Bild: TU Wien)

An der TU Wien untersuchte man nun ein spezielles Material, bei dem man auf den ersten Blick eigentlich überhaupt keinen magneto­elektrischen Effekt erwarten würde. Doch sorgfältige Experimente ergaben: Der Effekt lässt sich auch dort finden, er funktioniert allerdings völlig anders als sonst. Und genau deshalb lässt er sich auf hoch­sensitive Weise steuern: Bereits kleine Änderungen der Magnetfeld-Richtung können die elektrischen Eigenschaften des Materials in einen völlig anderen Zustand schalten.

„Ob die elektrischen und magnetischen Eigenschaften eines Kristalls miteinander gekoppelt sind, hängt von seiner inneren Symmetrie ab“, sagt Andrei Pimenov vom Institut für Festkörper­physik der TU Wien. „Wenn der Kristall einen hohen Grad an Symmetrie hat, wenn zum Beispiel die eine Seite des Kristalls genau das Spiegelbild der anderen Seite ist, dann kann es schon aus theoretischen Gründen keinen magneto­elektrischen Effekt geben.“

Das könnte man bei oberflächlicher Betrachtung auch von dem Kristall erwarten, der nun an der TU Wien genau untersucht wurde – ein Langasit aus Lanthan, Gallium, Silizium und Sauerstoff, mit zusätzlich eingebauten Holmium-Atomen. „Die Kristall­struktur ist so symmetrisch, dass sie eigentlich keinen magneto­elektrischen Effekt erlauben sollte. Und bei schwachen Magnetfeldern ist tatsächlich keinerlei Kopplung mit den elektrischen Eigenschaften des Kristalls festzustellen“, sagt Andrei Pimenov. „Doch wenn man die Stärke des Magnetfelds erhöht, geschieht etwas Bemerkens­wertes: Die Holmiumatome ändern ihren Quanten­zustand und bilden ein magnetisches Moment aus. Dadurch wird die innere Symmetrie des Kristalls gebrochen.“

Rein geometrisch betrachtet ist der Kristall noch immer symmetrisch, doch wenn man auch den Magnetismus der Atome mit­berücksichtigt, zerstört dieser die Symmetrie. Deshalb kann man nun die elektrische Polarisation des Kristalls mit einem Magnetfeld verändern. „Von einer Polarisation spricht man, wenn die positiven und negativen Ladungen im Kristall ein bisschen gegeneinander verschoben werden“, erklärt Pimenov. „Mit einem elektrischen Feld wäre das einfach zu erreichen – aber durch den magneto­elektrischen Effekt ist das auch mit einem magnetischen Feld möglich.“

Je stärker das Magnetfeld, umso stärker seine Auswirkung auf die elektrische Polarisation. „Der Zusammenhang zwischen Polarisation und Magnetfeldstärke ist ungefähr linear, das ist nichts Ungewöhnliches“, sagt Andrei Pimenov. „Bemerkenswert ist allerdings: Der Zusammen­hang zwischen der Polarisation und der Richtung des Magnetfelds ist stark nichtlinear. Wenn man die Richtung des Magnetfelds ein kleines bisschen dreht, kann die Polarisation völlig umkippen. Das ist eine neue Form des magneto­elektrischen Effekts, die man bisher noch nicht kannte.“ Eine einfache kleine Drehung entscheidet also darüber, ob das Magnetfeld die elektrische Polarisation des Kristalls verändern kann oder nicht.

„Der magnetoelektrische Effekt wird für verschiedene technologische Anwendungen eine immer größere Rolle spielen“, ist Andrei Pimenov überzeugt. „In einem nächsten Schritt wollen wir versuchen, nicht elektrische Eigenschaften mit einem Magnetfeld zu verändern, sondern magnetische Eigenschaften mit einem elektrischen Feld. Das sollte grund­sätzlich genauso möglich sein.“ 

Wenn das gelingt, wäre das eine viel­versprechende neue Möglichkeit, Daten in Festkörpern zu speichern. „In magnetischen Speichern wie Computer­festplatten benötigt man heute magnetische Felder“, erklärt Pimenov. „Sie werden mit magnetischen Spulen erzeugt, das benötigt relativ viel Energie und Zeit. Gäbe es einen direkten Weg, die magnetischen Eigenschaften eines Fest­körper­speichers mit einem elektrischen Feld zu schalten, wäre das ein Durchbruch.“ 

TU Wien / DE
 

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