13.03.2023

Ultrakalte Atome unter Kontrolle

Humboldt-Stipendiat arbeitet an neuen Methoden zur Manipulation von Rydberg-Atomen.

Óscar Herrera-Sancho aus Costa Rica liebt nordische Länder und die Kälte. Auch bei seinen Forschungen zu Rydberg-Atomen spielen extrem niedrige Temperaturen eine wichtige Rolle. Er ist als Humboldt-Stipendiat für erfahrene Forscher zu Gast am 5. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart. Seit November 2022 forscht Óscar Herrera-Sancho als Humboldt-Stipendiat bei Tilman Pfau, dem Leiter des 5. Physikalischen Instituts an der Universität Stuttgart. Die erste Besuchsphase endet im April 2023. Zwei weitere Besuche sind in den beiden Folgejahren geplant, auch jeweils von November bis April. Eigentlich keine schöne Jahreszeit für einen Besuch in Deutschland. Doch der Costa Ricaner mag die Kälte und auch in seiner Forschung spielen niedrige Temperaturen eine große Rolle.

 

Abb.: Blick durch ein Ionen­mikroskop (Bild: N. Zuber)
Abb.: Blick durch ein Ionen­mikroskop (Bild: N. Zuber)

Im Fokus der Forschung am 5. Physikalischen Institut stehen Experimente aus dem Bereich der Atom-, Molekül-, sowie optischen Physik und unter anderem die Erforschung von Rydberg-Atomen. Mit diesen beschäftigt sich auch der Humboldt-Stipendiat. Rydberg-Atome werden in ultrakalten Gaswolken erzeugt. Bisher arbeitet Óscar Herrera-Sancho bei seinen Versuchen mit Rubidium, es besitzt in seiner äußeren Schale nur ein Elektron. Wenn dieses weit nach außen befördert wird, entsteht ein Rydberg-Atom. Diese Atome zeichnen sich dadurch aus, dass sich mindestens ein Elektron in einem hoch angeregten Zustand befindet. Es ist mehr als tausendmal weiter vom Atomkern entfernt als im Grundzustand. Deshalb kann man Rydberg-Atome auch als Riesen­atome bezeichnen, deren Eigenschaften ganz anders sind als im Grundzustand. Insbesondere untersuchen die Forscher in ihrem Labor die Wechsel­wirkung zwischen Rydberg-Atomen und Ionen. Dabei beeinflusst das elektrische Feld des positiv geladenen Ions das Rydberg-Atom. So konnte zum Beispiel eine neue Molekül­bindung zwischen Ionen und Rydberg-Atomen nachgewiesen werden.

Beobachtet werden die Atome mit einem Ionenmikroskop. Das Mikroskop besteht aus drei Linsen und erreicht eine relativ hohe räumliche Auflösung von 200 Nanometer. Die gesamte Anlage steht unter Vakuum. Mit Hilfe eines Ofens wird Rubidium bei etwa 100 Grad Celsius verdampft. Anschließend fliegen die heißen Rubidium-Atome mit etwa 1000 Kilometern pro Stunde durch eine Röhre. Hier werden sie durch Magnetfelder und Laserstrahlen so lange abgebremst und gekühlt, bis sie sich kaum noch bewegen. So erreichen die Atome eine Temperatur knapp über dem absoluten Nullpunkt. Bei diesen ultrakalten Temperaturen wird die Brownsche Zitter­bewegung unterdrückt und so die eigentliche Atom­bewegung sichtbar.

„Das Bild, das wir mittels Ionenmikroskop von den Atomen erhalten, ist vergleichsweise klar, so dass man sogar die Schwingungen der Moleküle beobachten kann“, erläutert der Physiker aus Costa Rica. Interessante Ergebnisse erwarten die Wissenschaftler vom Einsatz von Lithium-Atomen. Eine Aufgabe von Óscar Herrera-Sancho wird es sein, diesen Umstieg zu begleiten. Lithium ist etwa zwölfmal leichter als Rubidium. Das erleichtert es, für bestimmte Experimente in Bereiche der Physik vorzudringen, in denen quanten­mechanische Effekte dominieren.

Óscar Herrera-Sancho hat von 2009 bis 2012 in Hannover promoviert und war später als Postdoc in Innsbruck. Auf einer Konferenz in Neuseeland traf er Tilman Pfau und war von dessen Vortrag sehr beeindruckt. So entstand der Kontakt und 2020 folgte ein erster Forschungs­aufenthalt an der Universität Stuttgart. Nach seiner erfolgreichen Bewerbung für ein Stipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung kann der Forscher seine Forschungen am 5. Physikalischen Institut weitere 18 Monate fortführen. Die Aufteilung in drei Aufenthalte erlaubt es Óscar Herrera-Sancho, auch weiter in Costa Rica zu arbeiten.

Dort untersucht er unter anderem mit Hilfe von künstlichen Magnetfeldern das Wander­verhalten von Schmetterlingen und studiert die Geschichte und die Material­zusammensetzung von alten Gemälden im National­theater in der Landes­hauptstadt San José.

Für Deutschland hat sich der Humboldt-Stipendiat schon früh interessiert, nicht zuletzt aufgrund der vielen berühmten deutschen Natur­wissen­schaftlerinnen und -wissenschaftler. Ihm gefällt, wie organisiert hier alles ist, und er mag die verschiedenen Jahreszeiten. Den Jahres­wechsel hat er in Island verbracht, der hohe Norden hat ihn angezogen. Voller Begeisterung erzählt Óscar Herrera-Sancho von den Polarlichtern, die er dort gesehen hat.

U. Stuttgart / DE

 

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