Überraschend verformbares Silizium

Spezielle Form der Lithographie macht das Halbleiter-Material elastischer.

Silizium ist leicht verfügbar, billig und hat ideale elektrische Eigen­schaften, aber auch einen wichtigen Nachteil: Es ist sehr spröde und bricht daher leicht. Das kann zum Problem werden, wenn man aus Silizium Mikrosysteme herstellen will, wie zum Beispiel Beschleunigungs­sensoren in modernen Handys. An der ETH Zürich hat ein Team unter Leitung von Jeffrey Wheeler gemeinsam mit Kollegen von der Eid­ge­nössische Material­prüfungs- und Forschungs­anstalt Empa gezeigt, dass Silizium unter bestimmten Bedingungen viel wider­stands­fähiger und verformbarer sein kann, als man bisher gedacht hatte.

Abb.: Wenige Mikrometer große Siliziumsäulen unter dem Elektronenmikroskop:...
Abb.: Wenige Mikrometer große Siliziumsäulen unter dem Elektronenmikroskop: Solche Strukturen machen das Material elastischer. (Bild: ETH Zürich)

Um zu verstehen, wie kleinste Strukturen aus Silizium sich verformen können, nahm Wheeler eine weit verbreite Herstel­lungs­methode genauer unter die Lupe: den gebündelten Ionen­strahl. Ein solcher Strahl kann sehr effektiv gewünschte Formen in eine Silizium­scheibe fräsen, hinterlässt dabei aber auch deutliche Spuren in Form von Oberflächen­schäden und -​defekten, die das Material leichter brechen lassen.

Wheeler und seine Mitarbeiter hatten die Idee, alternativ zur Ionen­strahl-​Methode eine spezielle Form der Litho­graphie auszu­probieren. „Zuerst stellten wir die gewünschten Strukturen – in unserem Fall winzige Säulen – her, indem wir mit einem Gasplasma das nicht von einer Maske bedeckte Material von einer Silizium­ober­fläche wegätzten“, erklärt team-Mitglied Ming Chen. In einem weiteren Schritt wird die Oberfläche der teils weniger als hundert Nanometer breiten Säulen zunächst oxidiert und dann gereinigt, indem die Oxidschicht mit einer starken Säure restlos entfernt wird.

Anschließend untersuchten die Forscher mit einem Elektronen­mikroskop die Festigkeit und plastische Verform­barkeit von verschieden breiten Silizium­säulen und verglichen die beiden Herstel­lungs­methoden mitein­ander. Dazu drückten sie einen winzigen Diamant­stempel in die Säulen hinein und beobachteten deren Verformungs­verhalten unter dem Elektronen­mikroskop.

Die Ergebnisse waren frappierend: Die mit einem Ionenstrahl gefrästen Säulen brachen schon bei einer Breite von weniger als einem halben Mikrometer ein. Bei den per Lithographie-​​Verfahren hergestellten Säulen dagegen kam es erst bei Breiten über vier Mikrometern zu Sprödbrüchen, dünnere Exemplare konnten der Belastung aber weitgehend widerstehen. „Diese litho­graphischen Silizium­säulen sind noch verformbar selbst bei zehnfach größeren Dimensionen, als wir sie bei mit Plasma gefrästem Silizium mit derselben Kristall­richtung beobachten konnten – und das bei doppelter Festigkeit“, fasst Wheeler die Ergebnisse der Experimente zusammen.

Die Festigkeit der litho­grafisch erzeugten Säulen erreichte sogar Werte, die nur theoretisch für ideale Kristalle zu erwarten wären. Der Clou, so Wheeler, liegt in der absoluten Reinheit der Säulen­ober­flächen, die mit der abschließenden Reinigung erreicht wird. Dadurch bleiben wesentlich weniger Oberflächen­defekte übrig, von denen ein Bruch im Material ausgehen kann. Mit weiteren Experimenten konnten die Forscher dank dieser zusätzlichen Verform­barkeit auch eine auffällige Änderung der Verformungs­mechanismen bei kleinen Dimensionen beobachten. Das brachte neue Details zur Verformung von Silizium ans Licht.

Die Resultate könnten sich direkt auf die Herstellung von Silizium-​​Mikro­systemen auswirken, sagt Wheeler: „In Handys einge­setzte Gyroskope, die Drehungen des Gerätes nachweisen, könnten so noch kleiner und robuster werden.“ Das sollte nicht allzu schwierig zu realisieren sein, da die Industrie bereits jetzt die von Wheeler und Kollegen untersuchte kombinierte Ätz-​​ und Reinigungs­methode verwendet.

Diese sollte auch für andere Materialien mit ähnlicher Kristall­struktur wie der von Silizium anwendbar sein, vermuten die Forscher. Zudem könnte man mit elastischerem Silizium auch dessen elektrische Eigen­schaften für bestimmte Anwendungen weiter verbessern. Durch eine starke Verspannung des Halbleiters kann nämlich die Beweglichkeit seiner Elektronen erhöht werden, wodurch sich beispiels­weise kürzere Schalt­zeiten erreichen lassen. Während dazu bislang Nanodrähte hergestellt werden mussten, könnte man dies nun direkt mit im Halbleiter­chip integrierten Strukturen schaffen.

ETH Zürich / RK

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