15.09.2022

Tumor in Sekundenschnelle töten

FLASH-Strahlentherapie kann Tumore in weniger als einer Sekunde vernichten.

Die Tumortherapie mit geladenen Teilchen ist eine der vielversprechendsten Anwendungen im Kampf gegen den Krebs. An der bestehenden Forschungs­anlage des GSI Helmholtzzentrums für Schwer­ionen­forschung und des derzeit hier entstehenden internationalen Beschleunigerzentrums FAIR arbeiten die Forscher daran, die Methode durch neue Technologien und Behandlungs­abläufe weiter zu verbessern und noch schlagkräftiger zu machen. Das neue FLASH-Verfahren ist dabei ein vielversprechender Weg. Ein wichtiger Schritt zur Erforschung der Wirksamkeit dieses Verfahrens mit hochenergetischen Kohlen­stoffionen ist nun gelungen. Darüber berichtet ein internationales Forschungs­team unter Leitung der GSI-Biophysik. Die Ergebnisse konnten im Rahmen der Experimentier­zeit FAIR-Phase 0 gewonnen werden.

 

Abb.: Bei GSI und dem künftigen Beschleuniger­zentrum FAIR arbeiten die...
Abb.: Bei GSI und dem künftigen Beschleuniger­zentrum FAIR arbeiten die Forscher daran, die Tumor­therapie mit geladenen Teilchen durch neue Technologien und Behandlungs­abläufe weiter zu verbessern. (Bild: ion42 / FAIR)

Bei den FLASH-Experimenten geht es um sehr kurze und sehr hoch-intensive Strahlenimpulse, bei denen die Behandlungsdosis in Zeitskalen von unter einer Sekunde abgegeben wird. Damit markiert der FLASH-Effekt einen potenziellen Durchbruch in der Strahlen­therapie, da eine Bestrahlung mit ultrahoher Dosisrate das therapeutische Fenster erheblich erweitern kann. Tatsächlich zeigen präklinische Daten, dass die in weniger als einer Sekunde verabreichte Dosis den Tumor zerstört, aber das umliegende gesunde Gewebe verschont. Während diese Schonung des Normalgewebes bei hohen Dosen und kurzen Bestrahlungszeiten bereits mit Elektronen, Photonen und Protonen nachgewiesen wurde, beschränkten sich die Nachweise mit schweren Ionen wie Kohlenstoff bisher auf In-vitro-Zellexperimente. Nun konnte die Wirksamkeit der neuen FLASH-Strahlen­therapie mit hoch­energetischen Kohlen­stoffionen, die mit ultrahoher Dosisleistung verabreicht werden, erstmals auch in lebenden Organismen unter Beweis gestellt werden.

Die Wissenschaftleren, zu denen neben dem Leiter der GSI-Abteilung Biophysik, Marco Durante, und seinem Team auch Forscher der University of Naples Parthenope sowie des Deutschen Krebsforschungszentrums DKFZ und der Universität Heidelberg gehören, stellen nun diese ersten In-vivo-Ergebnisse vor. Das Forschungsteam um Hauptautor Walter Tinganelli (GSI) hat gezeigt, dass ein 150-Millisekunden-Impuls mit hoch­energetischen Kohlenstoffionen die Toxizität für normales Gewebe im Vergleich zu konventioneller Bestrahlung mit mehr als einer Minute reduziert und den Krebs (ein Osteosarkom der Maus) abtötet. Darüber hinaus stellten die Forscher mit Überraschung fest, dass die FLASH-Bestrahlung die Zahl der vom Primärtumor gebildeten Lungenmetastasen verringert. FLASH mit Kohlenstoffionen ist also nicht nur in der Lage, das gesunde Gewebe in der Umgebung des Tumorziels zu schonen, sondern kann auch eine systemische Wirkung entfalten, die distale Metastasen zerstören kann.

Durante, anerkannter Experte auf dem Gebiet der Teilchen­therapie und erst kürzlich zum Präsidenten der internationalen Organisation „Particle Therapy Co-Operative Group (PTCOG)“ gewählt, fasst zusammen: „Wir haben den FLASH-Effekt mit hochenergetischen Kohlenstoff-Ionen zum ersten Mal in vivo nachgewiesen. Die Ergebnisse sind wichtig und sehr nützlich für das Verständnis der FLASH-Mechanismen und für mögliche Anwendungen der Ultrahochdosis-Teilchentherapie im klinischen Bereich. Um diese Laborexperimente in den klinischen Bereich zu übertragen, muss aber noch viel weitere Forschung erfolgen. Ziel ist es dabei immer, die zentrale Frage zu beantworten: Wie soll bestrahlt werden, um die effizientesten, die bestmöglichen Behandlungs­methoden zu bekommen im Kampf gegen den Krebs?“

Auch der wissenschaftliche Geschäftsführer von GSI und FAIR, Paolo Giubellino, ist erfreut über die vielversprechenden Ergebnisse, die während der Experimentierzeit FAIR-Phase 0 entstanden sind: „Die moderne Radio­biologie wird einen erheblichen Nutzen von Strahlen mit noch höheren Intensitäten haben, wie wir sie an der im Bau befindliche FAIR-Anlage bieten werden. FLASH ist ein erstes Beispiel dafür. Zudem zeigen die vorliegenden Ergebnisse das große Potenzial der Kohlenstoff­ionen­therapie, für die GSI Pionierarbeit geleistet hat. Auch in den nächsten Jahren wird an diesem hoch relevanten Thema weiter geforscht. Bereits die erste Stufe des FAIR-Experimentier­programms, die FAIR-Phase 0, bietet dafür herausragende Möglichkeiten.“

GSI / DE

 

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