16.10.2019

Tickender Atomkern

Millionenförderung für die Entwicklung einer Thorium-Kernuhr.

Eine Thorium-Kernuhr könnte noch einmal deutlich genauer sein als alle bisherigen Cäsium- und auch die optischen Atomuhren. Das verspricht Vorteile für die Anwendungen präziser Zeit- und Frequenz­messung, aber auch für physikalische Grundlagen­forschung. Nachdem das internationale Forschungs­konsortium mit mehreren Veröffentlichungen bereits gezeigt hat, dass eine solche Uhr grundsätzlich realisierbar ist, zeigt nun der europäische Forschungs­rat sein Vertrauen in das Projekt, indem er es mit insgesamt 13,8 Millionen Euro fördert. An dem inter­disziplinären und inter­nationalen Projekt „Thorium Nuclear Clock“ sind neben der Physikalisch-Technischen Bundes­anstalt (PTB) Wissen­schaftler aus Wien, München, Delaware, Heidelberg und Aachen beteiligt. Das Synergy Programm des European Research Council (ERC) ist die am höchsten dotierte Forschungsförderung des ERC und konzentriert sich insbesondere auf Themen mit hohem Innovations­potenzial, die eine Zusammen­arbeit zwischen verschiedenen Fach­gebieten erfordern, wie hier Atom- und Kernphysik, Laserphysik und theoretische Physik.

Abb.: Eine Kernuhr könnte auf einem Übergang im Atom­kern des schweren...
Abb.: Eine Kernuhr könnte auf einem Übergang im Atom­kern des schweren Thorium-229 basieren. In der Uhr soll der Kern durch Laser­licht angeregt werden. (Bild: C. Düllmann, JGU Mainz)

Bei bisherigen Atomuhren „tickt“ sozusagen die Atomhülle, bei der Thoriumuhr dagegen der Atomkern. Das Ticken entspricht perio­dischen Vorgängen, konkret den Schwingungen von Mikrowellen- oder optischer Strahlung, die zur Anregung von Elektronen oder eines Kerns in den Atomen genutzt wird. Weil im Atomkern die Protonen und Neutronen wesent­lich dichter gepackt und fester gebunden sind als die Elektronen in der Außenhülle, verspricht eine Kernuhr eine deutlich höhere Genauig­keit als bisherige Atomuhren. „Sie ist aber genau deswegen auch deutlich komplizierter zu realisieren,“ sagt Ekkehard Peik, Physiker und Fachbereichs­leiter an der PTB.

Zusammen mit seinem Kollegen Christian Tamm hat Peik schon vor mehr als einem Jahrzehnt das Konzept für eine Thoriumuhr entwickelt. Thorium-229 besitzt als einzig bekanntes Atom einen isomeren Kernzustand, den man mit Laser­technik, wie sie ähnlich auch bei heutigen Atomuhren genutzt wird, anregen kann. Aus dem Konzept erwuchs eine intensive Forschungs­arbeit verschiedenster Wissenschaftler­gruppen weltweit. Auch durch die enge Koopera­tion verschiedener Institutionen ist die Thoriumuhr Schritt für Schritt näher gerückt. „Wenn alles gut läuft, werden wir in sechs Jahren schon zwei unter­schiedliche Versionen von Kernuhren haben“, hofft Peik.

Allerdings sei dazu noch viel Grundlagen­arbeit zu leisten. Aber die kostet Geld, und die 13,7 Millionen der EU schaffen die perfekten Bedin­gungen dafür. Damit können – auch noch über das Ziel einer neuen Uhr hinaus – neue grund­legende Einblicke in die Struktur des Thorium-229-Atomkerns gewonnen werden. „Potenziell erhalten wir damit auch einen Zugang zu offenen Fragen aus der Physik – etwa, wie sich die Quanten­gravitation oder die dunkle Materie auf präzise Vergleiche zwischen unter­schiedlichen Atomuhren auswirken“, sagt Peik. 

Im Rahmen des ERC Synergy Grant werden über sechs Jahre hinweg Peik und die anderen Principal Inves­tigators des Projektes gefördert: Thorsten Schumm von der Tech­nischen Universität Wien, der auch der Sprecher des Projektes ist, Peter Thirolf von der Ludwig-Maximilians-Uni­versität München und Marianna Safranova von der University of Delaware in den USA. Beteiligt sind zudem Forscher am Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg und am Fraun­hofer-Institut für Lasertechnik in Aachen.

PTB / JOL

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