12.05.2022

Sinnvolle Standorte für Batteriespeicher

Stromnetz-Infrastruktur des bisherigen Kraftwerkparks sollte genutzt werden.

Für eine sichere Stromversorgung basierend auf einhundert Prozent erneuerbarer Energie werden dezentrale und zentrale stationäre Batterie­speicher in großem Umfang notwendig. Bis 2030 werden nach den Szenarien­rechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energie­systeme ISE in Deutschland etwa einhundert Gigawatt­stunden an elektrischer Speicherkapazität benötigt, bis 2045 etwa 180 Gigawattstunden. In der Kurzstudie „Batterie­speicher an ehemaligen Kraftwerks­standorten“ hat das Institut den systemischen und netztechnischen Nutzen von Großspeichern untersucht. Ein Ergebnis ist, das es sinnvoll ist, Batterie­speicher an ehemaligen Standorten von fossilen oder Atom­kraftwerken zu installieren, da die dort bereits verfügbare Anschluss­leistung genutzt werden kann. Bis zu 65 Prozent des bis 2030 in Deutschland benötigten Speicher­bedarfs könnte damit gedeckt werden.

Abb.: Je nach Region über- oder unterschreiten die Anschluss­leistungen der...
Abb.: Je nach Region über- oder unterschreiten die Anschluss­leistungen der konventionellen Kraftwerke den Speicherbedarf. (Bild: Fh.-ISE)

Stationäre Großspeicher können als schnell verfügbare Kurzzeitspeicher große Mengen fluktuierender und regional verteilter Einspeisung aus Photovoltaik- und Windkraft­anlagen ins Stromnetz integrieren. Sie nutzen zudem durch eine zeitliche Verschiebung die Übertragungs­kapazitäten der Stromnetze besser aus und reduzieren damit den benötigten Netzausbau. Auf Grund ihrer hoch­dynamischen Regel­barkeit spielen Batteriespeicher, die mit netzbildenden Wechselrichtern ausgestattet sind, zukünftig eine zentrale Rolle bei der dynamischen Stabi­lisierung der Stromnetze. Großspeicher übernehmen dabei die Netz­stabilisierung der Spannungs- und Frequenz­regelung, die bisher von konven­tionellen Must-Run-Kraftwerken erbracht wurde. 

„Diese Großspeicher können an ehemaligen fossilen oder Atomkraft­werksstandorten installiert werden und so die dort vorhandene Anschluss­leistung an das Stromnetz weiter nutzen“, erklärt Bernhard Wille-Haussmann, Gruppenleiter Netzbetrieb und Netzplanung. „Weitere Vorteile sind die bereits für die Energie­wirtschaft gesicherten und akzeptierten Flächen, die vorhandene hochwertige Infrastruktur und das Fachpersonal. Zudem könnte man für den Abriss geplante Kosten einsparen oder umwidmen.“ In der Studie wurde für jede der zehn definierten Regionen, welche sich an deutschen Bundes­ländern orientieren, der Bedarf an stationären Großbatterie­speichern ermittelt und der Anschluss­leistung der Kraftwerke gegenüber­gestellt.

Dabei zeigte sich, dass in einigen Bundesländern ein signi­fikanter Anteil der benötigten Großspeicher an Kraftwerks­standorten angeschlossen werden kann. So stehen in Baden-Württemberg 10,2 GW Anschluss­leistung zur Verfügung, damit könnten alle für 2030 berechneten stationären Batterie­speicher (8,7 GW) angeschlossen werden. In Nordrhein-Westfalen steht mit 16 GW an jetzigen Kohlekraftwerks­standorten nahezu die doppelte Anschluss­leistung der benötigten Speicher (9,4 GW) zur Verfügung. Dies ist allerdings nicht in allen Regionen der Fall. In der Region Sachsen-Anhalt-Thüringen steht die geringste Leistung (1,1 GW) einem Speicherbedarf von 7,6 GW gegenüber.

„Allein die AKW-Standorte mit ihrer Gesamt-Anschluss­leistung von 26,8 GW könnten bis zu einem Viertel der für die Energiewende bis 2030 benötigten Anschlussleistung für Batterien bereitstellen. Betrachtet man die verfügbare Fläche, könnten rund die Hälfte der benötigten 100 GWh Speicher­kapazität an diesen Standorten platziert werden“, so Wille-Haussmann. Unter Hinzunahme der Steinkohle- und Braunkohle­kraftwerke erhöht sich die Anschluss­leistung nochmals erheblich auf 67,6 GW, das entspricht 65 Prozent des bis 2030 benötigten Speicherbedarfs.  

In der Studie modellierte das Forscherteam mit dem Energie­systemmodell REMod auch die zukünftigen Lastkurven in den zehn deutschen Regionen und berechnete mit dem Netzmodell PyPsa die Auslastung der Stromleitungen zwischen den Regionen im Jahr 2030. Dabei wurde der Netzausbau entsprechend dem Netzent­wicklungsplan einbezogen. Besonders zwischen Norden (Windstrom) und Süden (PV-Strom) sowie zwischen Osten und Westen sind danach Überlastungen der Leitungen zu erwarten.

„Wenn wir nun die in den Regionen bereits vorhandenen Anschluss­leistungen der konventionellen Kraftwerke für Großspeicher nutzen, kann zum einen der zunehmende Tag-Nacht-Ausgleich für Solarenergie erfolgen, zum anderen der Netzausbau reduziert werden“, erklärt Christof Wittwer, Bereichsleiter Leistungs­elektronik, Netze und intelligente Systeme. Weiteren Forschungsbedarf sieht das Institut bei der Regionali­sierung der Energie­szenarien und der Detaillierung der Übertragungs­netzmodelle, einschließlich des Einflusses von wechselrichter­dominierten Verteilnetzen. Mit der Einbeziehung dieser erweiterten Modelle können die zukünftigen Anschlussorte bedarfs­gerechter geplant werden.

Fh.-ISE / JOL

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