09.07.2020

Schwingender Phasenwechsel

Doppelte Laserpulse schalten zwischen metallischer und isolierender Phase.

Chemische Reaktionen mit kurzen Lichtblitzen filmen und steuern – dieses Ziel liegt dem Forschungs­feld der Femtochemie zugrunde. Mit Hilfe mehrerer aufeinanderfolgender Laserpulse sollen dabei atomare Bindungen punktgenau angeregt und nach Wunsch aufgespalten werden. Bisher konnte dies für ausgewählte Moleküle realisiert werden. Forschern der Univer­sität Göttingen und des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Göttingen ist es nun gelungen, dieses Prinzip auf einen Festkörper zu übertragen und dessen Kristall­struktur an der Oberfläche zu kontrollieren. 

Abb.: Künst­lerische Darstellung des mit Licht­pulsen gesteuerten...
Abb.: Künst­lerische Darstellung des mit Licht­pulsen gesteuerten Phasen­übergangs von Indiumatomen auf einem Silizium­kristall. (Bild: M. Sivis)

Das Team um Jan Gerrit Horstmann und Claus Ropers bedampfte hierfür einen Silizium-Kristall mit einer hauch­dünnen Lage Indium und kühlte den Kristall anschließend auf -220 Grad Celsius ab. Während die Indiumatome bei Raum­temperatur metallisch leitende Ketten auf der Oberfläche bilden, ordnen sie sich bei solch niedrigen Temperaturen spontan zu elektrisch iso­lierenden Sechsecken um. Dieser Prozess wird als Übergang zwischen zwei Phasen – der metallischen und der iso­lierenden – bezeichnet und kann mit Laserpulsen geschaltet werden. In ihren Experimenten beleuchteten die Forscher nun die kalte Oberfläche mit zwei kurzen Laserpulsen und beobachteten direkt im Anschluss die Anordnung der Indiumatome mit Hilfe eines Elektronen­strahls. Dabei fanden sie heraus, dass der Rhythmus der Laser­pulse einen großen Einfluss darauf hat, wie effizient die Oberfläche in den metallischen Zustand geschaltet werden kann. 

Dieser Effekt lässt sich durch Schwingungen der Atome an der Ober­fläche erklären, wie Jan Gerrit Horstmann erläutert: „Um von dem einen in den anderen Zustand zu gelangen, müssen sich die Atome in unterschiedliche Richtungen verschieben und dabei ähnlich einer Achterbahnfahrt eine Art Hügel überwinden. Ein einzelner Laserpuls reicht hierfür jedoch nicht aus, und die Atome schwingen lediglich hin und her. Wie bei einer Schaukel­bewegung können wir jedoch mit einem zweiten Puls zum richtigen Zeitpunkt genug Energie in das System geben, um den Übergang zu ermöglichen.“ In ihren Experimenten beobachteten die Physiker gleich mehrere Schwingungen der Atome, die die Umwandlung in ganz unter­schiedlicher Weise beein­flussen. 

Ihre Erkenntnisse tragen nicht nur zum grund­legenden Verständnis von schnellen Struktur­änderungen bei, sondern eröffnen auch weitergehende Perspektiven für die Oberflächen­physik. „Unsere Ergebnisse zeigen neue Strategien auf, um die Umwandlung von Lichtenergie auf der atomaren Skala zu kontrollieren“, sagt Ropers, Direktor am Max-Planck-Institut für biophysi­kalische Chemie. „Das gezielte Steuern der Bewegungen von Atomen in Festkörpern mit Hilfe von Laserpuls-Sequenzen könnte es darüber hinaus ermöglichen, bisher unzu­gängliche Strukturen mit vollkommen neuen physikalischen und chemischen Eigen­schaften zu erreichen.“

U. Göttingen / JOL

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