09.12.2019 • Energie

Schwingende Wasserstoffblasen

Parabelflug-Experiment liefert wichtige Ansätze, um die Wasserelektrolyse zu optimieren.

Damit überschüssiger Strom aus Spitzen­ausbeuten von Solar- und Windkraft­anlagen nicht ungenutzt bleibt, sind praktikable Lösungen notwendig, um die Energie zwischen­zuspeichern. Eine attraktive Möglichkeit bietet die Produktion von Wasserstoff, aus dem dann auch andere chemische Energie­träger hergestellt werden können. Wichtig ist, dass dies möglichst effizient und damit kostengünstig geschieht. Das Forscherteam am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf HZDR unter Leitung von Kerstin Eckert hat sich speziell mit der Wasser­elektrolyse beschäftigt. Dabei bildet sich an einer Elektrode gasförmiger Wasserstoff, an der anderen Elektrode Sauerstoff. Die Energieumwandlung ist jedoch nicht verlustfrei. Praktisch werden je nach Elektrolyse­verfahren heute erst Wirkungsgrade von rund 65 bis 85 Prozent erreicht. Ziel der Elektrolyse­forschung ist es, die Werte durch bessere Verfahren auf rund neunzig Prozent zu steigern.

Abb.: Aleksandr Bashkatov unter­sucht am HZDR-Institut für Fluid­dynamik das...
Abb.: Aleksandr Bashkatov unter­sucht am HZDR-Institut für Fluid­dynamik das Verhalten von Gasblasen bei der Wasser­elektrolyse. (Bild: S. Floss, HZDR)

Um den Elektrolyse­prozess zu optimieren, ist ein besseres Verständnis der grundlegenden chemischen und physikalischen Abläufe essenziell. Die an der Elektrode wachsenden Gasblasen erfahren eine Auftriebs­kraft, die zum Aufstieg der Blasen führt. Ein den Wissen­schaftlern lang bekanntes Problem ist die genaue Vorhersage des Ablöse­zeitpunkts der Gasblasen von den Elektroden. Bekannt ist ebenfalls, dass durch das Verharren der Blasen an der Elektrode Wärmeverluste entstehen. Mit Labor­experimenten sowie theo­retischen Berechnungen konnten die Wissenschaftler jetzt ein besseres Verständnis der auf die Blase wirkenden Kräfte erzielen. „Unsere Forschung löst ein altes Paradoxon der Forschung an Wasserstoff­blasen auf“, schätzt Eckert ein.

Bereits in Vorgänger­experimenten beobachteten die Forscher, dass die Wasserstoff­blasen in schnelle Schwingungen geraten können. Sie vermaßen dieses Phänomen genauer: Mit einer Hoch­geschwindigkeits­kamera zeichneten sie den Schatten­wurf der Blasen auf und analysierten, wie sich einzelne Blasen hundert Mal pro Sekunde von einer Elektrode lösen können, nur um sofort wieder zu ihr zurück­zukehren. Sie erkannten: Hier konkurriert eine bisher nicht betrachtete elektrische Kraft mit dem Auftrieb und ermöglicht so die Schwingungen. Das Experiment zeigte auch, dass sich zwischen Gasblasen und Elektrode permanent eine Art Teppich aus Mikro­blasen bildet. Erst ab einer gewissen Dicke des Teppichs reicht die elektrische Kraft nicht mehr aus und die Blase kann aufsteigen. Dieses Wissen kann nun genutzt werden, um die Effizienz des Gesamt­prozesses zu verbessern.

Um ihre Ergebnisse zu untermauern, wiederholten die Forscher das Experiment unter Mikro­gravitation während eines Parabel­flugs. Auf diese Weise konnten sie prüfen, wie Veränderungen des Auftriebs die Dynamik der Gasblasen beeinflussen. „Durch die veränderte Schwerkraft während einer Parabel konnten wir physikalische Schlüsselparameter variieren, die wir im Labor nicht beeinflussen können“, sagt Aleksandr Bashkatov, Doktorand am HZDR, der mit weiteren Kollegen die Experimente an Bord des Parabelflugs durch­geführt hat. In Perioden der annähernden Schwere­losigkeit im freien Fall eines Parabelflugs ist der Auftrieb praktisch nicht vorhanden – zum Ende der Parabel hin ist er hingegen deutlich erhöht. Die Ergebnisse der Flüge zeigten auch, dass sich Wasserstoff­technologien nur erschwert auf einen möglichen Einsatz im Weltall übertragen lassen; ohne Auftrieb ist der Abtransport der Gasblasen von der Elektrode eine noch größere Heraus­forderung als auf der Erde.

Auch wenn die Experimente des Forscherteams unter verein­fachten Labor­bedingungen stattfinden mussten, werden die neuen Erkenntnisse zukünftig dazu beitragen, den Wirkungsgrad von Elektro­lyseuren zu erhöhen. Aktuell planen die Forscher um Kerstin Eckert im Verbund mit Partnern vom Fraunhofer IFAM Dresden, der TU Dresden, der Hochschule Zittau-Görlitz sowie lokalen Industrie­partnern ein Projekt zur grünen Wasserstoff­produktion in der Lausitz, das auf verbesserte, alkalische Wasserelektrolyse setzt, um fossile Energieträger abzulösen. „Alkalische Elektro­lyseure sind deutlich preis­werter und ökologischer und kommen ohne knappe Ressourcen aus, da sie auf edelmetall­beschichtete Elektroden verzichten. Langfristiges Ziel des Konsortiums ist es, leistungs­fähige alkalische Elektro­lyseure einer neuen Generation zu entwickeln“, fasst Eckert zusammen.

HZDR / JOL

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