21.09.2022

Schwere Elemente im Gerüst

Modifizierte metallorganische Gerüstverbindungen ermöglichen den Einbau von Actinoiden.

Die vor 25 Jahren entdeckten metallorganischen Gerüst­verbindungen (MOFs – metal-organic frameworks) umgab aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften schnell der Nimbus eines Wunder­materials, da ihre großen inneren Oberflächen und einstellbaren Porengrößen verbesserte Anwendungen beispielsweise in der Stofftrennung oder bei der Gasspeicherung ermöglichen. Während bisherige Vertreter hauptsächlich auf Übergangs­metallen wie Kupfer und Zink basieren, hat sich ein Team vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) an exotischerer Stelle im Perioden­system der Elemente umgesehen: Sie erforschen analoge Verbindungen, bei denen sie als anorganischen Teil Actinoide einbauen. Auf diese Weise leisten sie unter anderem einen Beitrag zur sicheren Endlagerung radioaktiver Stoffe.

 

Die Rossendorfer haben damit den Grundstein zu einer Plattform für Gerüst­verbindungen gelegt, die eine Reihe von Actinoid-Metallionen als Primär-Baustein beherbergen kann, nämlich Thorium und Uran sowie die Transurane Neptunium und Plutonium. „Die meisten dieser Elemente aus der letzten Reihe des Perioden­systems sind künstlicher Natur. Sie entstehen bei Neutronen­beschuss oder als Nebenprodukt im Kernreaktor. Mit ihnen hat der Mensch äußerst gefährliche Substanzen geschaffen, denn sie sind allesamt radioaktiv und zum Teil extrem toxisch“, erläutert Moritz Schmidt vom Institut für Ressourcenökologie am HZDR. „Das heißt auch: Sämtliche experimentelle Arbeiten müssen wir unter speziellen Sicherheits­vorkehrungen ausführen. Unser Arbeitspferd ist dabei die Koordinations­chemie, oder anders gesagt die Komplexbildung von Metallen mit vorrangig organischen Molekülen“, fügt Juliane März zum Hintergrund der Arbeit des Teams hinzu.

Ein noch relativ junges Gebiet innerhalb der Koordinations­chemie bilden die metallorganischen Gerüst­verbindungen. Die ultra­hochporösen Feststoffe bestehen aus Metallen oder Metall-Sauerstoff-Clustern, die mittels Verstrebungen aus organischen Chemikalien miteinander modular verbunden sind und Netzwerke aus flexiblen Hohlräumen bilden, die an die Poren eines Küchenschwamms erinnern. Im Fokus der Forschung standen zunächst die Übergangsmetalle. „Gute Aussichten auf neue Anwendungen führten bald zu einer Ausweitung auf Elemente mit komplexeren Elektronen­hüllen – zunächst auf die Seltenerdmetalle und schließlich auch auf die Actinoide. Gerade zu den nicht natürlich vorkommenden Transuran­elementen wie Neptunium und Plutonium ist aber noch so gut wie nichts bekannt“, umreißt März kurz die Chronologie.

Als organische Verstrebung haben sie chemisch modifiziertes Anthracen eingezogen, einen bekannten Vertreter der polyzyklischen aromatischen Kohlen­wasserstoffe. „Wir wissen, dass kristallines Anthracen der beste organische Szintillator ist: Geht energiereiche Strahlung durch diese Substanz, regt sie deren Moleküle durch Stoßprozesse an. Die Anregungs­energie wird in Form von blauem Licht wieder abgegeben. Deshalb leuchten unsere Gerüst­verbindungen auch von selbst“, berichtet Schmidt. Darüber hinaus zeigen sie noch eine weitere besondere Eigenschaft: die Breite ihrer Bandlücke, die ein Maß für den energetischen Abstand zwischen dem Valenz- und dem Leitungsband ist. „Bei einem Halbleiter ist bei sehr tiefen Temperaturen nur das Valenzband mit Ladungs­trägern besetzt, er ist in diesem Zustand nichtleitend. Bei Energie­zufuhr wandern sie in das Leitungsband und führen so zu einem Stromfluss. Messungen zeigen, dass unser neues Material zu den breit­bandigen Halbleitern gehört, die vor allem in der Leistungs­elektronik und Sensorik zum Einsatz kommen. Dadurch wird eine Anwendung als Detektor für ionisierende Strahlung denkbar – eine konstante interne Strahlungs­referenz liefern unsere eingebauten Actinoide gleich mit“, freut sich Schmidt.

Mit Beginn der MOF-Forschung hatten Arbeitsgruppen weltweit Vertreter synthetisiert, die immer größere innere Oberflächen aufwiesen und deshalb als Alternative für Aktivkohle oder Zeolithe etwa bei der Stoff­trennung oder in katalytischen Prozessen gelten. Ihr Vorteil: Durch den baukastenartigen Aufbau lassen sich vielfältige Netzwerk-Topologien umsetzen und die Porengrößen durch Auswahl einer passenden Verstrebung hinsichtlich einer gewünschten Anwendung sehr fein justieren, beispielsweise als effizientes Adsorptions­mittel für eine ganz spezielle Chemikalie.

März und Schmidt haben in diese Richtung weitergedacht und fügen mit ihrer Arbeit nun eine neue Facette hinzu: Sie sehen Anwendungen auf einem Gebiet, auf dem das HZDR-Institut für Ressourcen­ökologie forscht: die sichere Endlagerung radioaktiver Stoffe. Die Forscher denken da beispielsweise an die Entwicklung einer maß­geschneiderten Abfallmatrix, die Actinoide im Gerüst und Spalt­produkte in ihren Poren immobilisiert.

HZDR / DE

 

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