13.03.2019

Scharfer Blick auf die Atmosphäre

Hochauflösendes Spektrometer soll unter anderem Temperaturfelder und Schwerewellen untersuchen.

Normalerweise verlassen die optischen Systeme, die in den Labors der TDSU 2 am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts (MPL) in Erlangen erforscht werden, nicht die schwingungs­isolierten und vibrations­gedämpften optischen Tische. Dieses Mal jedoch ist alles anders. Am 22. Dezember 2018, kurz nach Mitternacht mittel­europäischer Zeit, startete eine Rakete vom Typ „Langer Marsch 11“ vom chinesischen Weltraumbahnhof Jiuquan, um einen Satelliten zum Test eines neuen Kommunikations­systems für eine weltweite, lückenlose Internet­versorgung in eine erdnahe Umlaufbahn zu befördern. Mit an Bord des Satelliten ist auch ein deutsches Fern­erkundungsgerät, das von Erlanger Forschern des MPL in Zusammenarbeit mit Atmosphären­physikern der Bergischen Universität (BU) Wuppertal und des Forschungs­zentrums (FZ) Jülich in mehrjähriger Zusammenarbeit entwickelt wurde: Atmoshine.

Abb.: Das Gerät AtmoSHINE (Bild: MPL / K. Mantel)
Abb.: Das Gerät AtmoSHINE (Bild: MPL / K. Mantel)

„Atmoshine ist ein Spektrometer, mit dessen Hilfe hochaufgelöste Temperatur­verteilungen der Atmosphäre in einem Höhenbereich um etwa neunzig Kilometer gemessen werden sollen“, erläutert Klaus Mantel von der TDSU 2 des MPL. Die Temperatur­verteilung ist ein wichtiger Indikator für die vielfältigen dynamischen Prozesse, die in der Atmosphäre der Erde ablaufen. Die Satelliten­mission dient dabei als In-Orbit-Verifikation, die ein planmäßiges Funktionieren des Geräts unter den schwierigen Bedingungen des Weltraums testen soll. Mit der globalen Vermessung der Temperatur­verteilung von Satelliten aus sollen insbesondere Schwerewellen besser charakterisiert werden, die zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten sind, da sie einen maßgeblichen Einfluss auf die Klimamodellierung ausüben. „Ein tieferes Verständnis der Schwerewellen würde eine Verbesserung und Weiter­entwicklung der Klimamodelle erlauben“, erklärt Martin Kaufmann vom FZ Jülich.

Das Spektrometer, ein spatiales Heterodyn-Interferometer, soll die Emissionslinien der molekularen O2-A-Bande bei einer Wellenlänge von etwa 762 Nanometern vermessen. Aus den Intensitäts­verhältnissen der einzelnen Spektrallinien lässt sich dann die aktuell in der Atmosphäre vorhandene Temperatur ermitteln. „Dass ein solch leistungsfähiges Gerät entstehen konnte“, erläutert Klaus Mantel, „ist der hervorragenden Zusammenarbeit der verschiedenen Institute zu verdanken, die ihre jeweiligen Stärken eingebracht haben“. Der Fokus am MPL lag dabei auf den technisch-optischen Aspekten des Projekts. Die verwendeten Optiken müssen hohen Ansprüchen genügen, die auch von messtechnischer Seite aus sichergestellt werden müssen. Außerdem galt es, Justier- und Kalibrier­strategien für das System zu entwickeln.

Das Konzept war bereits im März 2017 im Rahmen des sog. REXUS-Projekts unter weltraumnahen Bedingungen getestet werden, wobei die dabei verwendete Höhen­forschungs­rakete nur Daten im Zeitraum von wenigen Minuten liefern konnte. Der chinesische Technologie­satellit hingegen befindet sich für mindestens ein Jahr im Einsatz, und folgt dabei der Tag-Nacht-Grenze in einer sonnensynchronen Umlaufbahn in einer Höhe von 1100 Kilometern.

Ein Nachfolgegerät für einen deutlich erweiterten Höhenbereich von 60 bis 120km ist ebenfalls bereits in der Entwicklung. „Vorstellbar ist auch“, sagt Friedhelm Olschewski von der BU Wuppertal, „einen Schwarm von Kleinsatelliten, sogenannten CubeSats, mit spatialen Heterodyn-Interferometern zu bestücken, um so tomographische, dreidimensional aufgelöste Temperaturfelder der oberen Atmosphäre zu erhalten“. Mit Hilfe dieser Messungen würden die Forscher über einzigartiges Datenmaterial höchster Qualität verfügen. So könnten die optischen Systeme aus den Erlanger Labors auch in Zukunft dabei helfen, das Verständnis der Atmosphäre um einen entscheidenden Schritt voranzubringen.

MPL / DE

 

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