23.06.2020

Sauber gekämmtes Licht

Chaotische Turbulenz hilft bei der Erzeugung von Frequenzkämmen.

Es handelt sich um eine ganz besondere Sorte von Licht, mit der man wichtige Messungen durchführen kann: Frequenz­kämme spielen in der Laser­forschung heute eine große Rolle. Während das Licht eines gewöhnlichen Lasers nur eine einzige, ganz bestimmte Frequenz hat, besteht ein Frequenzkamm aus unter­schiedlichen Licht­frequenzen, die präzise in immer gleichen Abständen angeordnet sind, wie die Zähne eines Kamms.
 

Abb.: Quanten­kaskaden­laser mit unter­schiedlichen Durch­messern (Bild:...
Abb.: Quanten­kaskaden­laser mit unter­schiedlichen Durch­messern (Bild: Second Bay Studios / Harvard SEAS)

Solches Frequenzkamm-Licht ist schwer zu erzeugen. Nun gelang es aber einem internationalen Forschungsteam aus Österreich (TU Wien), den USA (Harvard, Yale) und Italien (Mailand, Turin), diese spezielle Sorte von Licht mit Hilfe einfacher kreisrunder Quanten­kaskadenlaser herzustellen – ein Phänomen, das gängigen Laser-Theorien völlig zu widersprechen schien. Wie sich zeigte, sind ausgerechnet Turbulenzen, wie man sie auch aus der Aerodynamik oder von Wasser­wellen kennt, für diese besonders geordnete Art von Licht verantwortlich. 

„Eigentlich hatten wir bei unseren Experimenten etwas völlig anderes gesucht“, berichtet Benedikt Schwarz, der an der TU Wien und der Harvard University Frequenzkämme erforscht und 2019 dafür einen ERC Starting Grant erhielt. „Wir unter­suchten kreisrunde Quanten­kaskaden­laser, das ist eine spezielle Art von Lasern, die seit Jahren in unseren Labors am Institut für Festkörper­elektronik hergestellt werden. Wir wollten untersuchen, wie sich bestimmte Defekte auf das Laserlicht auswirken.“ Doch die Überraschung war groß, als man feststellte: Man kann diese kreisrunden Mini-Laser auf sehr einfache Weise dazu bringen, Frequenzkämme zu erzeugen, die sich aus mehreren Licht­frequenzen in immer gleichen Abständen zusammensetzen.

„Das ist für uns großartig, denn exakt nach dieser Art von Licht suchen wir. Nur hatten wir es genau hier nicht erwartet – der Erfolg schien der gängigen Lasertheorie zu widersprechen“, erklärt Schwarz. Wenn das Licht eines Lasers aus unter­schiedlichen Frequenzen bestehen soll, dann muss es zeitlich variabel sein – allerdings muss dabei eine wieder­kehrende Ordnung entstehen. Die Schwingungen des Lichts müssen sich zeitlich immer wieder auf dieselbe Weise periodisch wiederholen. Nur dann entsteht ein Frequenzkamm.

„Als wir darüber nachdachten, wie diese Schwingung entstehen könnte, suchten wir nach ähnlichen Phänomenen in anderen Wissenschaftsgebieten. Schließlich stießen wir auf die Turbulenz als treibende Kraft, die auch bei unseren Frequenz­kämmen für Schwingung sorgt“, sagt Benedikt Schwarz. Turbulenz ist ein Phänomen, das zu chaotischen, unvorhersehbaren Mustern führen. Auch bei Wellen­bewegungen stößt man auf Wellen­instabilitäten. Eine kleine Störung wird immer größer und dominiert irgendwann die Dynamik des Systems. 

Der exakte mathematischen Zusammenhang zwischen solchen Turbulenzen und dem neuartigen Laserlicht ließ sich schließlich durch eine Laser-Theorie finden, die Nikola Opačak von der TU Wien erst kürzlich, im November 2019, publiziert hatte: „Wir stellten fest, dass sich diese Lasertheorie auf dieselbe Gleichung zurückführen lässt, die auch in anderen Wissenschafts­disziplinen für Turbulenz sorgt“, sagt Schwarz. In einem ringförmigen Laser können Wellen-Instabilitäten dazu führen, dass ein stabiler Frequenzkamm entsteht. Zusätzlich kommt es zu einer starken Verbindung zwischen unterschiedlichen Licht­frequenzen: Unterschiedliche Frequenzen werden fest aneinander gekoppelt. 

Frequenzkämme spielen hauptsächlich deshalb in der Forschung eine besondere Rolle, weil man mit ihnen winzige chemische Sensoren bauen könnte. Viele Moleküle absorbieren Licht im Infrarot­bereich auf ganz charakteristische Weise. Wenn man untersucht, welche Licht­wellen­längen absorbiert werden, kann man feststellen, um welches Molekül es sich handelt. Dafür ist es aber nötig, möglichst viele verschiedene Lichtfrequenzen im Infrarotbereich zur Verfügung zu haben – und genau das liefert ein optischer Frequenzkamm auf ideale Weise. 

TU Wien / DE
 

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