15.03.2021

Reisen schneller als das Licht

Eine neue Klasse von hyperschnellen „Solitonen“ für Reisen mit beliebiger Geschwindigkeit.

Wenn Reisen zu fernen Sternen innerhalb der Lebenszeit eines Menschen möglich sein sollen, muss ein Antrieb gefunden werden, der schneller als Licht­geschwindigkeit ist. Bisherige Forschungen über den überlicht­schnellen Transport auf der Grundlage von Einsteins Allgemeiner Relativitäts­theorie erfordern riesige Mengen hypo­thetischer Teilchen und Materie­zustände, die exotische physi­kalische Eigenschaften wie eine negative Energie­dichte aufweisen. Diese Art von Materie ist derzeit entweder nicht zu finden oder kann nicht in brauchbaren Mengen hergestellt werden. Ein Forscher der Universität Göttingen hingegen umgeht dieses Problem: Er konstruiert aus Quellen mit aus­schließlich positiver Energie eine neue Klasse von hyper­schnellen Solitonen, die Reisen mit beliebiger Geschwin­digkeit ermöglichen könnten. 

Abb.: Verschiedene Raumschiff­designs unter Berück­sichtigung der...
Abb.: Verschiedene Raumschiff­designs unter Berück­sichtigung der theo­retischen Formen verschiedener Arten von „Warp-Bubbles“. (Bild: E. Lentz)

Erik Lentz analysierte bestehende Forschungs­arbeiten und entdeckte Lücken in früheren Studien zum „Warp-Antrieb“. Lentz bemerkte, dass es noch nicht erforschte Konfi­gurationen der Raum-Zeit-Krümmung gibt, die in Solitonen organisiert sind. Diese haben das Potenzial, das Rätsel zu lösen, und sind gleich­zeitig physikalisch rea­lisierbar. Ein Soliton – in diesem Zusammenhang auch informell als Warpblase bezeichnet – ist eine kompakte Welle, die ihre Form beibehält und sich mit konstanter Geschwin­digkeit bewegt. Lentz leitete die Einstein-Gleichungen für uner­forschte Soliton-Konfi­gurationen ab, bei denen die “shift vector“-Komponenten der Raum-Zeit-Metrik einer hyperbolischen Beziehung gehorchen. Dabei fand er heraus, dass die veränderten Raum-Zeit-Geometrien auf eine Weise gebildet werden können, die auch mit konven­tionellen Energie­quellen funktioniert.

Genügend Energie voraus­gesetzt, könnten auf dieser Basis Weltraumreisen zu Proxima Centauri, unserem nächsten Stern, und zurück zur Erde innerhalb einiger Jahre statt innerhalb von Jahrzehnten oder Jahr­tausenden möglich sein. Ein Mensch könnte also die Reise im Laufe seines Lebens antreten. Zum Vergleich: Mit der heutigen Raketen­technologie würde die einfache Reise mehr als 50.000 Jahre dauern. Darüber hinaus wurden die Solitonen so konfiguriert, dass sie eine Region mit minimalen Gezeiten­kräften enthalten, so dass der Zeitablauf innerhalb des Solitons dem außerhalb entspricht: eine ideale Umgebung für ein Raumschiff. Das bedeutet, dass es nicht zu den Komplikationen des Zwillings­paradoxons kommen würde, bei dem ein Zwilling, der nahe der Lichtge­schwindigkeit reist, viel langsamer altern würde als der andere Zwilling, der auf der Erde geblieben ist: Tatsächlich würden beide Zwillinge nach den neuen Gleichungen gleich alt sein, wenn sie wieder vereint sind.

„Diese Arbeit hat das Problem des Reisens mit Überlicht­geschwindigkeit einen Schritt weg von der theoretischen Forschung in der Grundlagen­physik und näher an die Technik gebracht“, sagt Lentz. „Der nächste Schritt besteht darin, heraus­zufinden, wie man die astro­nomische Energie­menge, die benötigt wird, in den Bereich heutiger Technologien bringen kann, wie zum Beispiel ein großes modernes Kernspaltungskraftwerk. Dann könnten wir über den Bau der ersten Prototypen sprechen." Derzeit ist der Energiebedarf für diese neue Art des Raumfahrt­antriebs noch immens. Lentz erklärt: „Die Energie, die für diesen Antrieb bei Licht­geschwindigkeit für ein Raumschiff mit einem Radius von einhundert Metern benötigt wird, liegt in der Größenordnung des Hundertfachen der Masse des Planeten Jupiter. Die Energie­einsparung müsste drastisch sein, im Bereich von etwa dreißig Größen­ordnungen, um in die Reichweite moderner Kernspaltungs­reaktoren zu kommen. Glücklicher­weise wurden in früheren Forschungen mehrere energie­sparende Mechanismen vorgeschlagen, die die benötigte Energie potenziell um fast sechzig Größen­ordnungen senken könnte.“

U. Göttingen / JOL

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