12.06.2020 • Didaktik

Reflexionen in einer und über eine Pfütze

Was man beim Blick in eine Wasserpfütze zu sehen bekommt, hängt vor allem davon ab, aus welcher Richtung man schaut.

Wasserflächen nehmen von weitem gesehen teilweise die Farbe des Himmels an, weil dieser in ihnen spiegelnd reflektiert wird. Ein See erscheint deshalb blau, weil der Himmel blau ist. Und wenn der Himmel bedeckt und grau ist, kann der See nicht anders, als es ihm gleichzutun.

Abb. 1 Links: Flacher Blick auf eine Wasserpfütze: reflektierter Himmel und...
Abb. 1 Links: Flacher Blick auf eine Wasserpfütze: reflektierter Himmel und dunkler Rand. Mitte: Senkrechter Blick auf dieselbe Pfütze. Rechts: Der glänzend helle Rand der Pfütze und die dunkle Schattenseite des Grases verraten, dass man in Richtung der Sonne blickt (Fotos: Schlichting).

Auch die abgebildete Wasserpfütze (Abbildung 1 links) gibt das Blau des Himmels und das Weiß der Wolken wieder. Nähert man sich jedoch der Pfütze, so verblasst die Farbe zunehmend. Steht man direkt davor (Abbildung 1 Mitte), so wird die Pfütze unversehens nahezu transparent. Man sieht den darunter und im Randbereich befeuchteten Asphalt teilweise in noch kräftigeren Farben als ohne die Wasserschicht darüber.

Die Ursache für diesen Wechsel ist darin zu sehen, dass der Anteil des reflektierten Lichts umso größer ist, je flacher man auf die Wasseroberfläche blickt (Einfalls- und Reflexionswinkel bezogen auf das Lot zur Wasseroberfläche sind groß) und minimal wird, wenn man senkrecht hineinschaut (Einfalls- und Reflexionswinkel sind null). Zwar ist von den Wolken noch etwas zu erkennen, aber wegen des geringen Kontrasts zwischen Himmelslicht und feuchtem Asphalt sieht man von den Blauanteilen nichts mehr.

Dieses optische Verhalten beobachtet man nicht nur bei Wasserflächen, sondern auch bei anderen transparenten Medien wie Fensterscheiben. Wenn das Licht senkrech einfällt, reflektiert die Grenzfläche zwischen Glas und Luft nur etwa 4 %. Dieses Phänomen beschreiben die Fresnelschen Gleichungen.

Das Foto in Abbildung 1 rechts wurde ebenfalls aus größerer Entfernung aufgenommen, allerdings aus umgekehrter Richtung gegen die Sonne. Auch hier sieht man das Himmelsblau und einige Wolken reflektiert. Einen auffälligen Unterschied zeigt der Randbereich, in dem die raue Oberfläche der befeuchteten Splitteilchen ihr dunkles Aussehen (Abbildung 1 links) in ein blendend helles Leuchten gewechselt hat. Da hier dieselbe Pfütze nahezu gegen die Sonne fotografiert wurde, reflektieren die befeuchteten Flächen der Splittteilchen das Sonnenlicht auch noch aus Winkeln in die Kamera, die vom Reflexionswinkel der horizontalen Wasseroberfläche geringfügig abweichen. Es besteht somit eine enge Beziehung zum Phänomen des Schwerts der Sonne, bei dem das Sonnenlicht nicht nur an einer Stelle, sondern aus einem mehr oder weniger breiten Nachbarbereich gesehen wird.

Beim Foto in Abbildung 1 links wurde hingegen mit der Sonne im Rücken fotografiert; die Splittteilchen reflektieren das Sonnenlicht daher hauptsächlich vom Fotografen weg. Hinzu kommt, dass dort die diffuse Reflexion im feuchten Randbereich geringer ausfällt als in der trockenen Nachbarschaft, weil das einfallende Licht in der dünnen Wasserschicht einige Male hin-und her reflektiert und dabei stärker absorbiert wird als im trockenen Bereich. Dieses Phänomen kennt man von den kräftigen Farben und dem Glanz feuchter Steine.

An der unterschiedlichen Helligkeit des Grases ist ebenfalls zu erkennen, dass man im einen Fall auf die beleuchtete Seite und im anderen Fall auf die Schattenseite der Gräser blickt.

Hans Joachim Schlichting, Münster / TB

Originalveröffentlichung

Hans J. Schlichting, Reflexionen in und über eine gewöhnliche Wsserpfütze, Phys. Unserer Zeit 51(3), 149 (2020); https://doi.org/10.1002/piuz.202070311  

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