03.05.2021

Rasend rotierende Testobjekte

Entdeckung mehrerer Millisekundenpulsare eröffnet Möglichkeiten für fundamentale Tests.

Eine Gruppe von Astronomen unter der Leitung des italienischen Nationalen Instituts für Astrophysik (INAF) und des Max-Planck-Instituts für Radio­astronomie (MPIfR) in Bonn hat mit dem südafrikanischen MeerKAT-Radio­teleskop acht Milli­sekunden-Pulsare entdeckt, die sich in Kugelsternhaufen mit hoher Sterndichte befinden. Milli­sekunden­pulsare sind Neutronensterne, die sich bis zu 700 Mal pro Sekunde um ihre Achse drehen. Die Ergebnisse basieren auf der Forschungs­arbeit im Rahmen von zwei internationalen Kollaborationen, Trapum und MeerTime, am MeerKAT-Teleskop.

 

Abb.: Kugelsternhaufen NGC 6624 mit Pulsaren im zentralen Bereich im Inset...
Abb.: Kugelsternhaufen NGC 6624 mit Pulsaren im zentralen Bereich im Inset hervorgehoben. In Rot markiert der mit MeerKAT neu entdeckte Pulsar PSR J1823-3021G. (Bild: A. Ridolfi et al. / INAF / Hubble Space Telescope)

Millisekunden-Pulsare sind extrem kompakte Sterne, die hauptsächlich aus Neutronen bestehen, und gehören zu den außergewöhnlichsten Objekten im Universum. Sie packen das Hundert­tausendfache der Erdmasse in eine Kugel mit einem Durchmesser von etwa 24 Kilometern und sie drehen sich mit einer Rate von Hunderten von Umdrehungen pro Sekunde um ihre Achse. Die Entstehung dieser Objekte ist in Umgebungen hoher Sterndichte in den Zentren von Kugelsternhaufen stark begünstigt.

„Wir haben die MeerKAT-Antennen auf neun Kugelsternhaufen ausgerichtet und konnten in sechs von ihnen neue Pulsare entdecken“, sagt der Erstautor Alessandro Ridolfi, der als Post-Doc bei INAF und MPIfR arbeitet. Fünf dieser neuen Pulsare kreisen jeweils um einen anderen Stern, wobei einer von ihnen, PSR J1823-3021G, sich als besonders interessant herausstellt. „Aufgrund seiner stark elliptischen Umlaufbahn und seines massereichen Begleiters ist dieses System wahrscheinlich das Ergebnis eines Partnertauschs: Nach einer nahen Begegnung wurde der ursprüngliche Partner vertrieben und durch einen neuen Begleitstern ersetzt“, so Ridolfi weiter.

Tasha Gautam, Doktorandin am MPIfR in Bonn und Mitautorin der Arbeit, erklärt: „Dieser spezielle Pulsar könnte eine hohe Masse haben, mehr als das Doppelte der Masse der Sonne, es könnte aber auch das erste bestätigte System sein, das sich aus einem Millisekunden-Pulsar und einem Neutronenstern zusammensetzt. Wenn dies durch die aktuellen zusätzlichen Beobachtungen bestätigt wird, würde dieser Milli­sekunden-Pulsar ein hervorragendes Testfeld für neue Erkenntnisse in fundamentaler Physik darstellen.“

Die acht neuen Pulsare sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. In den Beobachtungen, die zu ihrer Entdeckung führten, wurden nur etwa 40 der insgesamt 64 MeerKAT-Antennen verwendet und sie konzentrierten sich lediglich auf die zentralen Regionen der Kugel­sternhaufen.

„Das MeerKAT-Radioteleskop stellt einen großen technologischen Fortschritt für die Erforschung und das Studium von Pulsaren am Südhimmel dar“, sagt Andrea Possenti von INAF, der Koordinator der Pulsar­beobachtungen in Kugelsternhaufen für die MeerTIME-Kollaboration. „In den nächsten Jahren wird MeerKAT voraussichtlich Dutzende von neuen Millisekunden-Pulsaren finden und uns einen Vorgeschmack auf das geben, was mit der zukünftigen Inbetriebnahme der Mittelfrequenz-Antennen des SKA-Observatoriums möglich werden wird. Das wird viele Bereiche der Astrophysik revolutionieren, darunter auch die Untersuchung von Pulsaren.“

Ridolfi, Gautam und Possenti sind Mitglieder der „Transients and Pulsars with MeerKAT“ (Trapum) Kollaboration, einem „Large Survey Proposal“ für MeerKAT mit einer umfassenden internationalen Zusammen­arbeit von Astronomen, die von den Möglichkeiten begeistert sind, die MeerKAT ihnen eröffnet. Für diese spezielle Arbeit teilten sie sich die Teleskopzeit mit einem zweiten „Large Survey Proposal“ für MeerKAT, MeerTime, das MeerKAT dazu nutzt, bereits bekannte Pulsare mit bisher nicht erreichter Präzision zu untersuchen.

Diese Arbeit diente der Trapum-Kollaboration als Modellversuch, um eine vollwertige Kugel­sternhaufen-Durchmusterung zur Suche nach neuen Pulsaren besser planen zu können. Eine solche Durchmusterung läuft derzeit unter Einsatz aller 64 Parabol­spiegel von MeerKAT, wodurch die Empfindlichkeit weiter erhöht wird. Sie wird die Suche auf viele weitere Kugel­sternhaufen ausdehnen und auch deren äußere Regionen vermessen.

„In früheren Suchprogrammen nach Pulsaren in Kugelsternhaufen sind bereits etliche bizarre und extreme Doppel­pulsare entdeckt worden. Mit neuen Instrumenten wie MeerKAT werden wir sicherlich weitere dieser extremen Systeme entdecken können, die uns mehr über die grundlegenden Gesetze unseres Universums verraten“, schließt Paulo Freire, ein weiterer Mitautor vom MPIfR.

MPIfR / DE

 

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