15.10.2019

Quantenlicht aus dünnen Schichten

Defekte und lokale Dehnungen erklären Lichtemission aus extrem dünnen Wolfram-Diselenid-Schichten.

Es ist ein merkwürdiges Phänomen, das jahrelang niemand erklären konnte: Wenn man einer dünnen Schicht des Materials Wolfram-Diselenid Energie zuführt, dann beginnt es auf sehr merkwürdige Weise zu leuchten. Zusätzlich zu ganz gewöhnlichem Licht, wie man es auch von anderen Halbleitermaterialien kennt, misst man bei Wolfram-Diselenid auch noch eine ganz spezielle Sorte von extrem hellem Quantenlicht, das nur von ganz bestimmten Punkten des Materials abge­strahlt wird. Es besteht aus einer Serie von Photonen, die regelmäßig wie am Fließband immer einzeln ausgesandt werden – niemals zu zweit oder in größeren Gruppen. Für Experimente im Bereich von Quanten­information und Quanten­kryptographie, bei denen man mit einzelnen Photonen arbeiten möchte, ist das perfekt. Allerdings wusste bisher niemand, wie dieser Effekt zustande kommt.

Abb.: Lukas Linhart (l.) und Florian Libisch fanden an der TU Wien die Ursache...
Abb.: Lukas Linhart (l.) und Florian Libisch fanden an der TU Wien die Ursache für eine spezielle Licht­emission in dünnen Schichten. (Bild: TU Wien)

An der Technischen Universität Wien fand man nun die Lösung: Ein subtiles Zusammen­spiel aus einzelnen atomaren Fehlstellen im Material und mechanischen Dehnungen ist für das Entstehen des Lichteffekts verantwortlich. Durch Computer­simulationen konnte man zeigen, wie die Elektronen an ganz bestimmte Stellen des Materials getrieben werden, wo wie eingefangen werden, Energie verlieren und ein Photon aussenden.

Wolfram-Diselenid bildet extrem dünne Schichten, die nur drei Atomlagen dick sind: In der Mitte befinden sich die Wolfram-Atome, darüber und darunter sind die Selen-Atome angekoppelt. „Wenn man der Schicht Energie zuführt, etwa indem man eine elektrische Spannung anlegt oder indem man es mit Licht der richtigen Wellen­länge bestrahlt, dann beginnt sie zu leuchten“, erklärt Lukas Linhart. „Das ist noch nicht unge­wöhnlich, das können viele Materialien. Doch als man das Licht von Wolfram-Diselenid im Experiment genau analysierte, stellte man fest, dass man hier zusätzlich zum gewöhnlichen Licht auch noch eine weitere, quanten­physikalisch ganz besondere Art von Licht nachweisen kann, und dass diese Sorte Licht ganz ungewöhnliche Eigen­schaften aufweist.“

Dieses spezielle Quanten­licht besteht aus Photonen ganz bestimmter Wellen­längen – und niemals misst man zwei Photonen derselben Wellen­länge gleichzeitig, sie werden immer einzeln ausgesandt. „Das sagt uns, dass diese Photonen nicht kollektiv vom ganzen Material erzeugt werden können, sondern dass es bestimmte Punkte in der Wolfram-Diselenid-Probe geben muss, die sehr viele dieser Photonen produzieren, eins nach dem anderen“, erklärt Florian Libisch, Sprecher des Graduierten­kollegs TU-D an der TU Wien, mit Schwerpunkt zwei­dimensionale Materialien. Um das zu verstehen, muss man das Verhalten der Elektronen im Material auf quanten­physikalischer Ebene genau analysieren: Elektronen können sich im Wolfram-Diselenid in unter­schiedlichen Energie­zuständen befinden. Wechselt ein Elektron von einem Zustand hoher Energie in einen Zustand niedrigerer Energie, wird ein Photon ausgesandt. Allerdings ist dieser Sprung zu einer niedrigeren Energie nicht immer und überall erlaubt: Das Elektron muss sich dabei an bestimmte Gesetze halten – an Impuls- und Drehimpuls­erhaltung.

Wenn sich ein Elektron in einem Zustand hoher Energie befindet, muss es zunächst dort bleiben. Durch bestimmte Störungen im Material können sich die Energie­zustände aber deutlich verändern. „Eine Wolfram-Diselenid-Schicht ist niemals perfekt. An manchen Stellen fehlt ein Selen-Atom, oder auch mehrere“, erklärt Lukas Linhart. „Dadurch ändert sich auch die Energie der Elektronen-Zustände in diesem Bereich.“ Außerdem ist die Material­schicht in der Praxis keine perfekte Ebene. Wie bei einer Bettdecke, die Falten wirft, wenn man sie über einen Kopfpolster breitet, dehnt sich Wolfram-Diselenid lokal, wenn die Material­schicht auf kleinen Trägerstrukturen aufgehängt ist. Diese mechanischen Spannungen haben ebenfalls eine Auswirkung auf die Energie­zustände der Elektronen.

„Das Zusammenspiel von Material­fehlern und lokalen Dehnungen ist kompliziert. Uns ist es nun allerdings gelungen, beides gemeinsam am Computer zu simulieren“, sagt Lukas Linhart. „Und dabei zeigte sich, dass nur die Kombination dieser Effekte die merk­würdigen Licht­effekte erklären kann.“ Dort, wo Material­fehler und Oberflächen-Dehnungen zusammentreffen, ändern sich die Energieniveaus der Elektronen, sodass es den Elektronen genau an diesen Stellen physikalisch erlaubt ist, von einem hohen in einen niedrigen Energiezustand zu wechseln und ein Photon auszusenden. Weil quanten­physikalisch niemals zwei Elektronen genau im selben Zustand sein können, müssen die Elektronen diesen Prozess einzeln und nacheinander durchlaufen, und das führt auch zu einzeln nacheinander ausgesendeten Photonen. Gleich­zeitig sorgt die Dehnung des Materials dafür, dass sich weitere Elektronen in der Nähe sammeln, und somit nach Aussenden eines Photons gleich wieder ein weiteres passendes Elektron nachrückt, das dann für das nächste Photon sorgt. Das Ergebnis ist ein weiterer Beleg dafür, dass zwei­dimensionale Materialien, die nur aus einer atomar dünnen Schicht bestehen, hoch­interessante neue Effekte ermöglichen. 

TU Wien / JOL

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