22.09.2022

Quantenbits mit den richtigen Isotopen

Isotopenkontrolliertes Siliziumkarbid liefert gute Voraussetzungen für Quantenbits in Farbzentren.

Am Fraunhofer IISB entwickelt eine Forschungsgruppe optimierte Grund­materialien und Prozess­technologien für Festkörper-Quanten­elektronik auf der Basis von Siliziumkarbid (SiC). Ausgangspunkt sind auf SiC-Wafern epitaktisch abgeschiedene SiC-Schichten mit genau festgelegten Konzentrationen für die Silizium- und Kohlenstoffisotope, beispielsweise Si-29 und C-13. In den isotopen­kontrollierten SiC-Schichten lassen sich dann definierte Punkt­defekte (Farbzentren) erzeugen, die als Quantenbits in elektronischen Bauelemente für die Quanten­informations­verarbeitung, Quanten­sensorik oder Quanten­kommunikation dienen.

 

Abb.: In isotopen­kontrollierten SiC-Schichten lassen sich definierte...
Abb.: In isotopen­kontrollierten SiC-Schichten lassen sich definierte Farb­zentren erzeugen, die als Quantenbits in elektronischen Bau­elementen dienen. (Bild: K. Fuchs / Fh.-IISB)

Im Gegensatz zu anderen Quantentechnologien kombiniert SiC hochattraktive Quanten­eigenschaften mit einer ausgereiften Materialplattform, die auch mit der etablierten Mikroelektronik kompatibel ist. Mit der Verknüpfung von Quanten­eigenschaften und elektronischen Bauelementen bietet isotopenreines SiC ein enormes Wertschöpfungs­potential für die Festkörper-Quanten­elektronik und könnte für den breiten Durchbruch von Quanten­technologie in Industrie und Mittelstand sorgen.

Quantentechnologie wird die Welt verändern. Allerdings wird die Quantenrevolution nur stattfinden, wenn es eine praxistaugliche Plattform­technologie für Quanten­bauelemente und Quantensysteme gibt. Die heute existierenden Quanten­computer bestehen aus komplizierten optoelektronischen Aufbauten und reagieren sehr empfindlich auf kleinste äußere Einflüsse. Die dort verwendeten Quantenregister arbeiten erst bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt und benötigen eine extrem aufwändige Kühlung. Eine weitere Herausforderung ist auch die Anbindung an die vorhandene Informations- und Kommunikations­technik. Perspektivisch sind derartige Großlösungen deshalb eher für Forschungszwecke oder für kommerzielle Cloud­computing-Unternehmen interessant. Demgegenüber bestünde in der Industrie und im Mittelstand ein hoher Bedarf an eigenen Supercomputern für eine Vielzahl an komplexen Simulationsaufgaben und Optimierungsproblemen, die sich perfekt durch Quanten­computing lösen ließen.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma eröffnen Quanten­bauelemente, deren Quantenbits aus Farbzentren bestehen. Ein Farbzentrum ist eine spezielle atomare Störstelle im Kristallgefüge, in der ein einzelnes Gitteratom fehlt. Alternativ kann ein Farbzentrum auch ein Komplex aus wenigen Störstellen im Material sein, bei denen Fremdatome die Gitteratome ersetzen. Da die Störstelle Licht absorbieren und emittieren kann, wird sie als Farbzentrum bezeichnet. Im Elektronenspin dieser Farbzentren lässt sich dann Quanteninformation speichern.

Momentan ist hier vor allem das Wide-Bandgap (WBG)-Halbleiter­material Diamant sehr prominent und gut erforscht. Diamant hat ausgezeichnete Quanten­eigenschaften, doch dieses Material ist technologisch nur schwer zu handhaben und die Anbindung an etablierte Elektronik­technologien ist aufwändig. Ebenso gibt es Bestrebungen, Qubits mittels klassischer Silizium­technologie zu realisieren, zum Teil in Kombination mit Germanium oder Graphen. Der Vorteil: Für Quanten­bauelemente auf Silizium­basis stünde die komplette Palette an erprobten Halbleiterprozessen zur Verfügung und die Integration in die bekannte Silizium­elektronik wäre vergleichsweise einfach. Allerdings ist Silizium kein WBG-Halbleiter und bringt damit als Grundmaterial für Quanten­bauelemente weniger optimale Voraussetzungen mit.

Unter diesen Umständen könnten Festkörperbauelemente auf Basis des WBG-Halbleiter­materials Silizium­karbid (SiC) der Quanten­technologie den Weg in breite Anwendungsfelder bereiten. Auf SiC basierende Halbleiterbausteine sind mittlerweile Massen­produkte. Aktuell stellen SiC-Bauelemente ihre Qualitäten vor allem im Bereich der Leistungselektronik im praktischen Einsatz unter Beweis.

Wie in Diamant kann in SiC die Quanteninformation in den Spins der Farb­zentren gespeichert werden. Im Gegensatz zu Diamant werden aber bei SiC die hochattraktiven Quanten­eigenschaften mit einer ausgereiften Material­plattform kombiniert. Die SiC-Plattform bietet beispielsweise eine kommerzielle Verfügbarkeit im Wafer-Maßstab, sehr gute Kompatibilität zur etablierten CMOS-Technologie oder die Möglichkeit, hybride photonische, elektrische und mechanische Bau­elemente herzustellen.

Farbzentren in SiC sind für die Quanten­informations­verarbeitung, Quanten­sensorik oder Quanten­kommunikation nutzbar. Derartige Anwendungen erfordern allerdings verhältnismäßig lange Lebensdauern der Quanten­zustände, beispielsweise für die Realisierung komplexer Rechenaufgaben. In SiC kann dies durch die Übertragung von Quanten­informationen von einem Farb­zentrum auf die Kernspins benachbarter Silizium- oder Kohlenstoff-Atome erreicht werden.

Nicht jedes Si- oder C-Atom in SiC eignet sich als Quantenbit oder Quantenspeicher. Nur bestimmte Isotope wie Si-29 und C-13, die in unterschiedlichen Konzentrationen im SiC vorkommen, sind dafür verwendbar. In der gängigen Quantenforschung wurden bislang nur Isotopen­konzentrationen untersucht, die natürlicherweise in SiC vorkommen, oder SiC-Material, das keine solchen Speicher­isotope enthält.

Dagegen legt das Fraunhofer IISB den Schwerpunkt gezielt auf eine optimierte, für die jeweilige Quantenanwendung zugeschnittene Material­qualität. Mit seiner langjährigen Expertise auf dem Gebiet der SiC-Epitaxie und einer hochentwickelten Prozesstechnik adressiert das Institut aktuell die Herstellung epitaktischer SiC-Schichten mit genau festgelegten Isotopen­konzentrationen auf SiC-Substraten. Das IISB ist dabei eine der wenigen Einrichtungen weltweit, die in der Lage sein wird, SiC-Material mit exakt für die jeweilige Quanten­anwendung spezifizierten Eigenschaften herzustellen.

Ein wesentliches Kriterium bei der Nutzung von SiC als Quantenmaterial ist die optimale Anzahl und Platzierung der speziellen Isotopen­atome im Verhältnis zum zentralen Farbzentrum. Eine zu niedrige Isotopen­konzentration führt zu mangelnder Kohärenz der Qubits, während eine zu hohe Konzentration überlappende Signale bewirkt, wodurch die Zustände der Qubits nur schwer zu unterscheiden wären. Die Verteilung der Isotopenatome hängt unmittelbar mit den Isotopen­konzentrationen im SiC zusammen. Mittels aufwändiger Computersimulationen untersucht das IISB, welcher Isotopengehalt in SiC für Anwendungen in der Quanten­kommunikation oder im Quanten­computing am besten geeignet ist. Durch einen selbst entwickelten numerischen Algorithmus kann die Signalqualität der Kernspins in Abhängigkeit von ihrer Position zum jeweiligen zentralen Farbzentrum bestimmt werden.

Die besten Isotopen­positionen lassen sich in einem kleeblattförmigen Bereich um das Farbzentrum herum finden. Dabei muss das „Kleeblatt“ von einer optimalen Anzahl an Kernspins bevölkert werden, was sich durch Einstellen einer bestimmten Isotopen­konzentration bewerkstelligen lässt. Der Schlüssel zur Herstellung von für Quantenanwendungen optimiertem SiC liegt also in der präzisen Steuerung der Isotopen­konzentrationen.

Bei der Herstellung des optimierten SiC kann das Fraunhofer IISB auf eine langjährige Expertise im Bereich der Epitaxie sowohl auf Si- als auch auf SiC-Substraten zurückgreifen. So verfügt das Institut in Erlangen über den weltweit ersten an einer Forschungs­einrichtung betriebenen Planeten-Epitaxie­reaktor für 150- und 200-Millimeter-SiC-Wafer. Seit einigen Jahren pflegt das Fraunhofer IISB eine strategische Kooperation mit der Firma AIXTRON bei der Entwicklung von SiC-Anlagen und -Prozessen. AIXTRON ist ein weltweit führender Anbieter von Anlagen für die SiC-Epitaxie nach dem CVD-Verfahren. In einem Reinraum des IISB unterhalten beide Partner ein gemeinsames „Joint Lab“, um zusammen Epitaxie-Geräte und -Prozesse weiterzuentwickeln. Durch das Modell der „Joint Labs“ lassen sich intensive Synergien zwischen Industrie und Wissenschaft realisieren. Für das Institut stellt die Kooperation mit AIXTRON eine ideale Möglichkeit dar, seine Aktivitäten auf dem Gebiet der industriellen SiC-Epitaxie-Entwicklung wie nur wenige andere Forschungseinrichtungen auszubauen. Durch die direkte Zusammenarbeit mit einem renommierten Industrieunternehmen inhouse kann das IISB sehr spezielle Epitaxie-Schichten für High-End-Demonstrator­bauelemente erzeugen, welche kommerzielle Anbieter so nicht anbieten können.

Erklärtes Ziel des Fraunhofer IISB ist es, SiC als essentielle Plattform für Quanten­kommunikation, Quanten­computer und Quanten­sensorik zu etablieren. Die Vorteile sind vielfältig. Da die Arbeits­temperatur für SiC-Quanten­elektronik mindestens um den Faktor 1000 höher liegt als bei aktuellen Großlösungen, rücken im Bereich des Quanten­computings kompakte Tischaufbauten mit miniaturisierten Kühlvorrichtungen in greifbare Nähe. SiC-Festkörper­quanten­bauelemente sind kompatibel mit den Herstellungsprozessen klassischer Mikroelektronik auf Si-Basis, und für SiC-integrierte Quanten­bauelemente stünde die gesamte Palette an elektronischer Peripherie zur Verfügung. Durch eine direkte Anbindung an existierende Technologien ließe sich die Quantenelektronik nahtlos in bestehende Informations­systeme integrieren.

SiC als Materialplattform bietet eine realistische Aussicht auf marktfähige Quanten­bauelemente und für deren Integration in etablierte Mikro­elektronik­technologien. Durch die Verknüpfung von Quanten­eigenschaften mit elektronischen Bauelementen erschließt isotopen­reines SiC der Quanten­elektronik ein enormes Wert­schöpfungs­potential.

Fh.-IISB / DE

 

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