30.03.2020

Pulse statt Nullen und Einsen

Neuromorphes Rechnen ermöglicht höhere Lernfähigkeit von IT-Systemen, ohne deren Energiebedarf zu steigern.

Neuromorphes Rechnen nennt sich ein neue Kompetenzfeld am Forschungs­institut des Freistaats Bayern für software­intensive Systeme Fortiss. Künftig wird es neben klassischen auch neuro­morphe IT-Systeme geben, die Information nicht mehr mit Nullen und Einsen kodieren, sondern in Form von Pulsen, vergleichbar biolo­gischen Nerven­zellen. Damit soll beispiels­weise die Lern­fähig­keit von Robotern gesteigert werden, ohne dass der Energie­verbrauch steigt. Während beim biolo­gischen Modell Informa­tions­verar­beitung und Speicherung am selben Ort statt­finden, ist dies bei klassischen Computern nicht der Fall. Der Speicher ist räumlich getrennt. Und genau dieses Konzept erweist sich als Nadelöhr: Die Daten müssen ständig zwischen Prozessor und Speicher abgeglichen werden. Das limitiert die Daten­transfer­rate und schraubt den Energie­verbrauch hoch.

Abb.: Bei neuromophen Systemen werden die Informationen nicht binär kodiert,...
Abb.: Bei neuromophen Systemen werden die Informationen nicht binär kodiert, sondern wie beim menschlichen Gehirn in Form von zeitgetakteten Pulsen. (Bild: fortiss)

Bei neuromorphen IT-Systemen ist nicht nur die Architektur der informa­tions­verarbei­tenden Einheiten den biolo­gischen neuronalen Netzen nach­empfunden. Künftig soll auch deren Prinzip der Informa­tions­verarbei­tung auf Silizium­chips über­tragen werden: Dabei werden die Informa­tionen nicht mit dem binär kodiert, sondern wie beim menschlichen Gehirn in Form von zeit­ge­takteten Pulsen.

Am Fortiss hat sich ein Team um den Computer­wissen­schaftler Axel von Arnim vor­ge­nommen, in Anlehnung an die Signal­über­tragung biolo­gischer Systeme die Lern­fähig­keit und Intelligenz technischer Systeme wie Roboter oder maschinelle Bildver­arbei­tung zu verbessern. Dazu wird das Team Erkennt­nisse aus der Neuro­biologie nutzen und Software­methoden aus dem Bereich künstliche Intelligenz und deren Teil­­gebiet Deep Learning verwenden.

„Neuromorphe Systeme sind energie­effizient, anpassungs­fähig und können lernen. Sie eignen sich besonders gut, um kognitive Computer zu reali­sieren, die komplexe Daten analy­sieren und erlerntes Wissen nutzen, um Vorher­sagen zu treffen. Außerdem ist das Daten­format universell, was die Kommuni­kation zwischen neuromorphen Systemen erleichtert“, erklärt von Arnim.

Bevor jedoch technische Systeme mit der neuen Generation künst­licher neuronaler Netze arbeiten, müssen die Grund­lagen dafür geschaffen werden. Dafür kooperieren die Computer­wissen­schaftler von Fortiss mit der Arbeits­gruppe von Wolfgang Maass an der TU Graz. Gemeinsam werden die Beteiligten Algorithmen und Software für energie­sparende neuromorphe Hardware entwickeln und Möglich­keiten für das Rechnen und Lernen mit gepulsten neuronalen Netzen erforschen. Ebenso werden sie erkunden, welche Software­archi­tektur für neuromorphes Rechnen notwendig ist.

„Derzeit sind unterschiedliche Systeme auf dem Markt, beispielsweise Simulatoren, Chips oder selbstgebastelte Bibliotheken. Da es sich um unterschiedliche Systeme handelt, ist die Kommunikation zwischen den Komponenten erschwert“, erläutert Maass. „Wir arbeiten an einer Standardbibliothek für neuromorphe Software. Diese erlaubt Programmierern nicht nur den Zugriff auf die neue Generation künstlicher neuronaler Netzwerke. Auch der Zusammenbau der verschiedenen SNN-Komponenten wird damit erleichtert.“

fortiss / RK

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