14.07.2020

Pluto ... und darüber hinaus

Vor fünf Jahren flog die NASA-Sonde New Horizons an Pluto vorbei und erkundet seitdem weiter den Kuipergürtel.

Am 14. Juli 2015 flog die NASA-Sonde New Horizons um 13:50 Uhr MESZ etwa 4,8 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt durch das Pluto-Charon-System. Dabei kam die Sonde Plutos Oberfläche weniger als einen Erddurchmesser nahe und lieferte einzigartige wissenschaftliche Messungen und sandte aufsehenerregende Bilder zur Erde. Pluto und Charon entpuppten sich als unerwartet dynamische Welten mit einer bewegten Vergangenheit.

Binnen weniger Stunden kamen sieben wissenschaftliche Bordexperimente zum Einsatz. Neben drei optischen Geräten, dem UV-Spektrometer Alice sowie den hochauflösenden Kamerasystemen LORRI und Ralph, nahmen die beiden Plasma-Instrumente PEPSSI und SWAP, der Staubdetektor Venetia und das Radioexperiment REX eingehende Messungen an dieser fernen, eiskalten Welt vor. REX ist das einzige Instrument auf New Horizons, an dem deutsche Planetenforscher von der Universität zu Köln beteiligt sind.

Die Tagestemperatur auf Pluto beträgt nur minus 234 Grad Celsius. Bei diesen Temperaturen frieren die meisten Gase aus. Pluto ist daher von einem Gemisch aus Wasser-, Stickstoff-, Methan-, Kohlenmonoxid-, Kohlendioxid- und Ammoniakeis bedeckt. Gegenwärtig ist Pluto von einer hauchdünnen Atmosphäre umgeben, die aus Stickstoff mit etwas Kohlenmonoxid und Methan besteht. Sie ist – das zeigten die gegen den Horizont aufgenommenen Bilder – geschichtet und reicht bis in eine Höhe von 1600 Kilometern.

Die mittlere Dichte von Pluto beträgt 1860 Kilogramm pro Kubikmeter: Demnach besteht Pluto zu mehr als zwei Dritteln aus Gestein und zu 30 Prozent aus Eis verschiedener Zusammensetzung. Damit ist die Gesteinsmasse groß genug, um nach der Entstehung des Zwergplaneten durch den Zerfall radioaktiver Elemente im Inneren ausreichend Wärme zu erzeugen. Dadurch konnte sich im Zentrum ein Gesteinskern bilden, der von einer mächtigen Eisschicht umgeben ist. Es könnte sogar genügend Energie vorhanden sein, um auch heute noch dynamische Prozesse in der Eisschicht anzutreiben.

Überraschende Oberflächenformationen waren die zahlreichen Polygone, die ein wabenartiges Muster in die Eisebene Sputnik Planum zeichnen und als erstarrte Konvektionszellen interpretiert werden, sowie die gewaltigen hochgebirgsartigen Landschaften mit den bis zu 3500 Metern hohen Norgay und Hillary Montes. Diese bestehen aus einer Tieftemperatur-Modifikation von Wassereis extremer Härte, die verhindert, dass die Eisriesen an der Basis durch das Eigengewicht in sich zusammenschmelzen.

Das dunkle, rötlich-braune Material im Norden Plutos, das sich auch auf Charon findet, besteht vermutlich aus einer komplexen Mischung organischer Moleküle wie Kohlenstoff, Stickstoff und Wasserstoff, die sich in der Atmosphäre von Gasplaneten, Monden oder Kometen unter  Einwirkung ultravioletter Strahlung und den Partikeln des Sonnenwindes aus dem Oberflächenmaterial bilden.

Nach dem Vorbeiflug an Pluto setzte New Horizons seinen Flug durch den Kuipergürtel fort. Diese die acht Planetenbahnen umgebende schlauchförmige Region ist die kosmische Heimat eisiger, teils extrem ursprünglicher Körper von wenigen Kilometern Größe bis hin zu mehreren tausend Kilometern Durchmesser.

Bereits vor der Ankunft am Pluto gelang es mithilfe des Hubble-Weltraumteleskops, ein transneptunisches Objekt zu erspähen, das sich für einen relativ nahen Vorbeiflug nach dem Rendezvous mit Pluto eignet. Das im März 2018 vorläufig als „Ultima Thule“ bezeichnete Objekt wurde inzwischen in „Arrokoth“ umbenannt, was in der Sprache der Algonkin (nordamerikanischer Ureinwohner) „Himmel“ bedeutet. Arrokoth umkreist die Sonne in einer Distanz von 6,4 bis knapp 7,0 Milliarden Kilometern.

Als New Horizons am 1. Januar 2019 mit 14,3 Kilometern pro Sekunde nur 3000 Kilometer entfernt an Arrokoth vorbeiflog, zeigten die Bilder, dass Arrokoth ähnlich dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko aus zwei Körpern besteht, die sich umkreisen. Der kleine eisige Körper ist damit das von der Erde aus fernste Objekt des Sonnensystems, das vor Ort erkundet werden konnte. Aufgrund der großen Distanz der Sonde zur Erde wird die Datenübertragung vom Vorbeiflug an Arrokoth noch bis Ende 2020 andauern.

Das Radiosondierungsexperiment REX, das amerikanische Wissenschaftler an der Universität Stanford sowie deutsche Wissenschaftler am Rheinischen Institut für Umweltforschung an der Universität Köln und an der Universität der Bundeswehr München auf New Horizons betreiben, sondierte mit Radiowellen im X-Band im Bereich von 8,4 Gigahertz (4,2 cm) Plutos Atmosphäre, untersuchte Plutos und Charons Oberflächentemperaturen auf deren Tag- und Nachtseite und bestimmte die einzelnen Massen und Dichten beider Körper anhand der Doppler-Verschiebung des Radiosignals.

Demnach ist die Oberflächentemperatur der Nachtseite von Pluto (29 K oder –244 °C) nur wenig geringer als die der Tagseite (33 K), was auf eine geringe thermische Trägheit des Oberflächenmaterials hinweist. Die Tag- und Nachttemperaturen auf Charon sind mit 57 K bzw. 33 K wesentlich höher als die von Pluto, was sich durch die kleinere Albedo und die bessere Absorption der Sonneneinstrahlung erklären lässt.

Pluto und Charon haben im Sonnensystem mit 8:1 das größte Massen- und mit 2:1 das größte Radiusverhältnis eines Planeten hinsichtlich seines Mondes. Deshalb konnte man zuvor astrometrisch nur die Gesamtmasse beider Körper und mit Annahmen über die Dichte die Einzelmassen abschätzen. Beim Vorbeiflug New Horizons ließen sich die Einzelmassen direkt bestimmen, da die Anziehungskräfte der beiden Körper die Flugbahn beeinflusst haben. 

Am 22. und 23. April dieses Jahres machte die Raumsonde fern von Erde und Sonne Aufnahmen zweier Sterne, die unserem Sonnensystem relativ nah stehen, Proxima Centauri und Wolf 359 im Sternbild des Löwen. Vergleicht man die Bilder der Sonde mit denen, die zur gleichen Zeit von der Erde aus im gleichen Sternfeld gewonnen wurden, zeigt sich deutlich, wie die beiden Sterne in Bezug auf die mehr als 100-fach weiter entfernten Hintergrundsterne jeweils eine geringfügig andere Position einnehmen. Mit dieser Parallaxe lässt sich trigonometrisch die Distanz zu dem Stern ermitteln.

Auch wenn New Horizons Parallaxenmessungen die bereits bekannten Entfernungswerte nicht verbesserten, eröffnen sie doch langfristig neue Anwendungsmöglichkeiten – die interstellare Navigation. Auch die Idee, die auf den Physiker Freeman Dyson (1923 – 2020) zurückgeht, Raumschiffe systematisch für stellare Parallaxenmessungen mit einer größeren Basis als die Astronomische Einheit zu verwenden, erfährt durch New Horizons Messungen eine Renaissance.

Clyde Tombaugh, von dessen Asche die Sonde etwas an Bord hatte, wäre  über die Verwirklichung solcher Pläne sicher sehr angetan. Die kleine Raumsonde New Horizons hat zweifellos ihrem Namen alle Ehre gemacht und uns wahrhaft neue Horizonte eröffnet.

DLR / Alexander Pawlak

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