22.11.2021

Physik mit Mikrobiologie kombinieren

Rosalind Allen ist neue Professorin für Theoretische Mikrobielle Ökologie der Universität Jena.

Ein tiefgreifendes Verständnis darüber, wie Bakterien in verschiedenen Umgebungen wachsen, überleben oder sterben, kann die Behandlung von bak­teriellen Infektionen grundlegend verändern. „Es ist wichtig, Antibiotika zielgerichtet einzusetzen, denn zu viele Fehl­behandlungen können zu Resistenzen führen", erklärt Rosalind Allen. Sie ist seit kurzem Professorin für Theo­retische Mikrobielle Ökologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und mit ihrem Team im Exzellenz­cluster „Balance of the Microverse“ angesiedelt.  

Abb.: Rosalind Allen verstärkt den Exzellenzcluster „Balance of the...
Abb.: Rosalind Allen verstärkt den Exzellenzcluster „Balance of the Microverse“ der Universität Jena. (Bild: J. Meyer, U. Jena)

Allen wechselte von der University of Edinburgh an die Universität Jena. Ihren Einstieg in die Wissenschaft bildete ihr Chemie-Studium an der Universität Cambridge, anschließend wechselte sie das Fach und wurde Physikerin. In ihrer Forschung kombiniert sie ihre Fachgebiete: Allen nutzt Methoden aus der Physik, um aktuelle Erkenntnisse aus mikro­biologischen Experimenten zu erklären. Genauer gesagt, beschreibt sie mit Gleichungen, wie Bakterien in verschiedenen Umgebungen wachsen und welchen Einfluss dies auf die Wirkung von Anti­biotika hat. „Die einfache Vorstellung, wonach Antibiotika Bakterien abtöten, ist in Wirklichkeit viel komplexer", sagt Allen. Bakterien wachsen in ganz unter­schiedlichen Umgebungen, wie zum Beispiel im menschlichen Darm oder im Boden, aber auch in medizinischen Implantaten oder Kathetern. Je nach Umgebung wachsen Bakterien aber unter­schiedlich schnell. Gleichzeitig beeinflusst die Wachstums­geschwindigkeit der Bakterien die Wirkung von Antibiotika. Was also in der einen Umgebung zur Abtötung von Bakterien führt, kann in einer anderen völlig unwirksam sein.

Allen versucht mit ihrer Forschung, die Gründe hierfür herauszufinden. Indem sie die bakteriellen Wachstums­prozesse in mathe­matische Gleichungen umwandelt, lassen sich Erkenntnisse gewinnen, die aus rein biolo­gischer Sicht vielleicht nicht möglich gewesen wären. Ein weiterer Vorteil davon, Biologie und Physik zu kombinieren, ist, dass sich komplexe Prozesse so visuali­sieren und damit vergleichen lassen. Die Formel für die Wechsel­wirkung von Bakterien mit Antibiotika könnte beispielsweise einer Formel ähneln, die den Angriff auf eine Bakterien­population durch einen Feind beschreibt und wäre aus rein biologischer Sicht möglicher­weise nicht erkannt worden. „Wir wollen system­übergreifende Konzepte finden, die sonst möglicherweise übersehen werden“, fasst Allen zusammen. Das Konzept, zwei auf den ersten Blick unterschiedliche Prozesse miteinander zu vergleichen, passt sehr gut in den Microverse Cluster, der verschiedene Forschungs­bereiche miteinander verbindet. 

„Eines meiner Ziele ist es, einen geschickten Weg zu finden, um bakterielle Infek­tionen gezielt mit Antibiotika zu behandeln. Zurzeit gibt es klinische Richtlinien, die beschreiben, welches Antibiotikum bei welcher Infektion eingesetzt werden sollte. Doch diese basieren nicht immer auf einem detail­lierten Verständnis darüber, wie die Bakterien auf das Antibiotikum reagieren“, sagt Allen. Die Wissen­schaftlerin freut sich auf die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen des Universitäts­klinikums, die ebenfalls zum Microverse-Cluster gehören. Im Rahmen dieser fachüber­greifenden Zusammenarbeit soll das Thema von einem praktischen Standpunkt aus beleuchtet werden. 

Allen interessiert sich ebenfalls dafür, wie verschiedene Arten von Mikroben im Boden, im Meer, auf Pflanzen oder im Menschen zusammenwirken. „Jena ist eine Hochburg des Fachwissens für mikrobielle Inter­aktionen, und ich möchte mit Hilfe mathe­matischer Modelle vorhersagen, wie sich diese Interaktionen auf die Stabilität der natürlichen Umwelt und auf die Gesundheit von Menschen und Pflanzen auswirken“, sagt sie. Jemanden wie Rosalind Allen im Microverse-Cluster zu haben, bietet die Möglichkeit, Forschende fachüber­greifend zu verbinden und neue Gemeinsam­keiten zwischen Wissens­gebieten zu entdecken. Darüber hinaus wird sich Allen in der Lehre im Master­studiengang „Mikro­biologie“ engagieren und Studierenden die Modellierung in der Mikro­biologie nahebringen. 

U. Jena / JOL

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