14.02.2019 • Lasertechnik

Optisch kühlen ohne Laser

Nahfeld-Kühlung nutzt chemisches Potenzial von Photonen.

In der Tieftemperaturphysik wäre vieles nicht möglich ohne den geschickten Einsatz von Laserkühlung. Durch Ausnutzung des Doppler­effekts bei der Absorption und Reemission von Photonen lassen sich Temperaturen knapp über dem absoluten Temperatur-Nullpunkt erzielen. Indem man die Wellenlänge des Laserstrahls so wählt, dass seine Energie ein wenig geringer als die Anregungs­frequenz des zu kühlenden Objekts ist, entzieht das Laserlicht diesem Objekt stetig Energie. In den letzten Jahren haben einige Theoretiker aber vorgeschlagen, dass eine optische Kühlung auch ohne die besonderen Eigenschaften von kohärentem Laserlicht möglich sein sollte. Dazu müsste man das chemische Potenzial der Photonen ausnutzen, die im Nahfeld zwischen zwei Körpern ausgetauscht werden.

Abb.: Elektronenmikroskopische Aufnahme des Kalorimeters. (Bild: L. Zhu et al....
Abb.: Elektronenmikroskopische Aufnahme des Kalorimeters. (Bild: L. Zhu et al. / Nature Springer)

Eine Forschergruppe um Pramod Reddy von der University of Michigan in den USA hat diese Idee nun erstmals experimentell umgesetzt. Es gelang den Wissenschaftlern, ein Kalorimeter und eine Photodiode präzise genug im Nanometer­abstand zueinander zu positionieren. Falls die Distanz zwischen beiden Körpern geringer ist als die durch­schnittliche Wellenlänge der thermischen Photonen, können diese Lichtteilchen zwischen beiden Körpern tunneln. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler einen gerichteten Photonenfluss zwischen beiden Körpern herstellen, der das Kalorimeter kühlte. Auch wenn derartige nano­photonische Kühllösungen nicht auf Tief­temperatur­rekorde zielen, könnten sie sich in Zukunft aber nicht nur für Anwendungen in der Festkörper­kühlung, sondern auch in der Opto­elektronik und beim On-Chip-Kühlen als hilfreich erweisen.

Bei dieser Art von Kühlung kommt es darauf an, einem Körper Photonen zu „entziehen“, indem man deren chemisches Potenzial ausnutzt. Nun ist das chemische Potenzial von Photonen im Gleichgewichts­zustand null. Bei einem unter Spannung stehenden Halbleiterübergang kommt es jedoch zu Wechselwirkungen der Photonen mit den Elektronen und Löchern im Material, so dass das chemische Potenzial einen von null verschiedenen Wert annimmt. Das kommt dadurch zustande, dass die Emission oder Absorption von Photonen mit dem Besetzungsgrad von Elektronen oder Löchern korreliert ist. Bei Photonen­energien oberhalb der Bandlücke lässt sich das chemische Potenzial der Photonen deshalb durch die angelegte positive oder negative Spannung beeinflussen.

Auf diese Weise lässt sich die Emission von thermischer Strahlung unterdrücken – ein Phänomen, das auch als „negative Lumineszenz“ bezeichnet wird. Unter diesen Umständen sinkt die effektive Temperatur der thermischen Photonen mit Energien im Bereich der Bandlücke unter die Temperatur des Festkörpers. Das lässt sich im Prinzip für ein Kühlverfahren einsetzen. Allerdings ist der Photonenfluss im Fernfeld sehr gering – weshalb sich derartige Effekte nur sehr aufwändig messen lassen und bislang noch nicht in Anwendungen umgesetzt wurden.

Die Forscher der University of Michigan haben diese Idee stattdessen nanophotonisch umgesetzt. Schließlich kann der Photonen­umsatz und damit auch die Wärme- oder Kühlleistung im Nahfeld zwischen zwei Körpern um mehrere Größenordnungen ansteigen, da nun auch evaneszente und Oberflächen­moden zum Photonen­transport beitragen. Bislang hatten Experimente an solchen nano­optischen Kühlungen aber mit praktischen Problemen zu kämpfen, wie etwa der notwendigen präzisen parallelen Ausrichtung von Photodiode und Kalorimeter. Die Amplitude evaneszenter Moden nimmt exponentiell mit dem Abstand zur Oberfläche ihres Körpers ab. Deshalb ist es entscheidend, mit möglichst glatten und exakt parallel ausgerichteten Flächen zu arbeiten, um einen möglichst guten Überlapp zwischen Photodiode und Kalorimeter zu erzielen.

Den Forschern um Reddy gelang es nun, die Schwierigkeiten zu lösen. Sie nutzen ein Kalorimeter mit achtzig Mikrometern Durchmesser, das aus Silizium gefertigt war und eine starke Phosphor-Dotierung aufwies, um eine gute dielektrische Kopplung mit der Photodiode zu erreichen. Die Photodiode hatte einen Durchmesser von 270 Mikrometern. Die aufwändig polierten Oberflächen wiesen nur Erhebungen von einigen Dutzend Nanometern auf. Die Versuche fanden bei Raumtemperatur und unter hohem Vakuum statt. Mit Hilfe eines Nano­positio­nierers brachten sie schließlich Kalorimeter und Photodiode in Schritten von wenigen Nanometern immer näher und bestimmten dabei den Wärmefluss. Im Bereich von weniger als einigen hundert Nanometern Abstand zeigte sich dabei das Phänomen der negativen Lumineszenz in guter Übereinstimmung mit theoretisch erwarteten Werten.

Wie die Forscher auch anhand von Computersimulationen herausfanden, verdankt sich die starke Erhöhung der Kühlleistung im Nahfeld vor allem dem Tunneln von Photonen. Auch wenn das die erste Demonstration eines neuen optischen Kühlverfahrens ist, sind die Forscher doch optimistisch, dass es den etablierten Verfahren schon bald Konkurrenz machen könnte. Nicht nur sind die theoretisch möglichen Kühl­leistungen beachtlich, es existieren bereits auch Ideen, das Verfahren mit Hilfe von Elektrolumineszenz noch effizienter zu machen. Auch Beschichtungen mit Materialien, die die Oberflächen­resonanzen verstärken, sollten den Effekt verstärken. Man könnte auch Resonanzen zwischen Phononen und Polaritonen ausnutzen, die eine einbandige Wärmestrahlung erzeugen, die sich wiederum an eine Photodiode mit passender Bandlücke koppeln ließe. Eine andere Idee beruht auf plasmonischen Infrarot-Nanoantennen. Die Möglichkeiten optischer Kühlung ohne Laser klingen durchaus vielfältig.

Dirk Eidemüller

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