21.07.2021

Optimierte Fertigung in Photonik, Optik und Elektronik

EU-Projekt Applause koordiniert moderne Integrationsverfahren.

Bei der Entwicklung und Herstellung einer Vielzahl von elektronischen Geräten, wie Smartphones und selbstfahrenden Fahrzeugen, müssen ständig neue und erweiterte Funktionalitäten auf kleinstem Raum berücksichtigt werden. So hat sich das Advanced Packaging – zu Deutsch komplexe Aufbau- und Verbindungs­technik von Halbleiter­bauelementen – als eine essenzielle Technologie für die Integration von Photonik, Optik und Elektronik herauskristallisiert. In dem laufenden EU-Projekt Applause fokussieren sich die Beteiligten mit dieser Technologie auf die Entwicklung neuer Werkzeuge, Methoden und Prozesse für die Massen­fertigung von elektronischen und optischen Komponenten in hohen Stückzahlen.

 

Abb.: Damit der thermische Sensor in einer Infrarotkamera hermetisch versiegelt...
Abb.: Damit der thermische Sensor in einer Infrarotkamera hermetisch versiegelt wird, nutzt man spezielle Wafer-Packaging-Prozesse: Ein Kappenwafer mit 200 Millimetern Durchmesser umschließt die Sensoren unter Vakuum, so dass eine äußere Antireflexions­beschichtung entsteht. (Bild: Fh.-IZM)

Ein Konsortium, bestehend aus 31 europäischen Schlüsselakteuren aus den Bereichen Electronic Packaging, Optik und Photonik, führenden Ausrüstungslieferanten und Testexperten, treibt das Projekt „Advanced packaging for photonics, optics and electronics for low cost manufacturing in Europe“, kurz Applause, voran. Das Projekt fördert die europäische Halbleiter-Wertschöpfungs­kette durch die Entwicklung neuer Werkzeuge, Methoden und Prozesse für die Großserienfertigung. Abgesehen von zwölf Großunternehmen, elf kleinen und mittleren Unternehmen und sieben Forschungs- und Technologie­organisationen ist auch das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM an den Anwendungsfällen beteiligt. Neben diversen anderen spannenden Projekten sind die Forschenden in Berlin gleich in drei industriellen Anwendungs­feldern involviert und arbeiten dort mit an der Erstellung einer kostengünstigen Infrarotkamera für Automobil- und Überwachungsanwendungen, eines Hoch­geschwindigkeits-Datacom-Transceivers und eines flexiblen Pflasters für die Herzüberwachung.

Im Rahmen des ersten Anwendungsfalls entwickeln die Konsortialpartner für Automobil- und Sicherheitsanwendungen eine Kamera zur Erzeugung von Wärmebildern mit erhöhten Videoraten und VGA-Auflösung mittels eines kostengünstigen Mikrobolometers. Dies ist ein thermischer Sensor zur Erfassung von elektromagnetischer Strahlung, etwa in Situationen, in denen das sichtbare Licht nicht mehr ausreicht. Der Mikrobolometer besteht aus einer mehrlagigen und trotzdem hauchdünnen Membran, auf der sich unter anderem eine infrarot­sensitive Absorber­schicht befindet. Die Membran wird mit zwei winzigen Elektroden im Vakuum aufgehängt und ist somit thermisch isoliert. Die einfallende Infrarotstrahlung erwärmt durch Resonanz die thermisch isolierte Membran, was zu einer Änderung des elektrischen Widerstandes der Sensorschicht führt. Hierdurch ändert sich das Messsignal und wird von einer Auslese­schaltung erfasst. Da sich die Einzelmembranen in einem flächigen Raster auf der Ausleseschaltung befinden, ergibt sich eine Pixel-Matrix. Das Ergebnis ist ein Kamera-Sensor zur Aufnahme von Infrarotbildern.

Ziel dieses Projektes ist es, einen kostengünstigen und leistungsfähigen thermischen Infrarotsensor anzufertigen. Da für die Funktionstüchtigkeit der Mikrobolometer eine Vakuum­umgebung erforderlich ist, wenden die Forscher am Fraunhofer IZM einen speziellen Packaging-Prozess zur robusten hermetischen Verkapselung an. Dabei decken sie die feinen dichtgepackten Mikro­bolometer-Strukturen auf Wafer-Ebene mit einem Kappenwafer zu, der Fenster für die Infrarot-Übertragung besitzt. Hierdurch werden die hochempfindlichen Sensorelemente nicht nur für die weitere Integration in den finalen Kamera-Sensor geschützt, sondern auch unter Vakuum für ihre vollständige Funktion hermetisch gasdicht versiegelt.

Im zweiten Anwendungsfall geht es um die Kommunikation und Analyse von Daten. Hier sind immer höhere Geschwindigkeiten ein ständiger Antrieb für weitere Entwicklungen. Daher ist ein kostengünstiger optischer 400 Gb/s Hoch­geschwindigkeits-Transceiver für die Datenkommunikation einer der nächsten Meilensteine in diesem Bereich. Hierfür wird am Fraunhofer IZM eine ambitionierte optische Siliziumbank für die Sendeeinheit (Transceiver) entwickelt. Das Besondere ist dabei die anvisierte passive Justage der Komponenten, die die submikro­metrische, hochpräzise Montage für hohe Stückzahlen zeitlich verkürzen und vereinfachen soll. Montagekosten könnten somit im Vergleich zum aktuellen Stand der Technik deutlich gesenkt werden. Durch die Kombination von Silizium-Mikrostrukturierung und goldbasierten Metallisierungen für die Hochfrequenz-Signal-Umverdrahtung und die Flip-Chip-Lotkontakte wird ein 3DSubstrat für optische Elemente (Linse, Isolator, Faser) einschließlich mechanischer Stopper hergestellt. Dadurch kann das laser­emittierende Bauelement (EML) mit einer Präzision unter einem Mikrometer montiert werden. Der Ansatz profitiert von der engen Zusammen­arbeit mit der Firma Almae Technologies im Projekt. Ein weiterer explorativer Ansatz für die Integration von optischen Elementen ist ein 3D-gedrucktes Substrat, welches parallel getestet wird.

Das digitale Zeitalter treibt auch die Entwicklung von Überwachungstechnologien durch Wearables wie Fitness-Tracker und Smartwatches voran. Doch Kardiologen benötigen nach wie vor alternative Technologien für ihre Diagnose- und Überwachungs­aufgaben. Hier kommt die flexible Elektronik ins Spiel. Solche Überwachungsgeräte erfordern einen engen Kontakt mit der Haut. Elektronische Komponenten müssen in flexible und sogar dehnbare Schichten integriert werden, die sich ideal an die Haut anpassen können. Der dritte Beitrag des Fraunhofer IZM zu Applause befasst sich daher mit der Integration von dünnen Bauelementen in ein dünnes und flexibles Polymer­substrat inklusive Umverteilungs­schicht. Die entwickelten Technologien für dehnbare Elektronik auf Basis von thermo­plastischem Polyurethan werden es ermöglichen, Elektroden und Elektronik in ein kompaktes, flexibles und biokompatibles Pflaster zu integrieren.

Die skizzierten Anwendungsfälle illustrieren deutlich das große Potenzial der Advanced Packaging-Technologien für die Zukunft von elektronischen Systemen. Im Gesamt­projekt liegen die erwarteten Auswirkungen bei einer Umsatz­steigerung von über 300 Mio. € bis 2025. Die neuen Technologien haben das Potenzial, den Marktanteil zu erhöhen und den Industriepartnern zusätzlichen Zugang zu neuen Marktsegmenten zu verschaffen. Das dreijährige Projekt Applause wird von der EU im Rahmen von Horizon 2020 und nationalen Förder­organisationen sowie der Industrie als Teil des Electronics Components and Systems for European Leadership Joint Undertaking (ECSEL JU) mit 34 Mio. € kofinanziert.

Fh.-IZM / DE

 

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