28.01.2022

Obacht vor kosmischen Geisterfahrern!

Welche Auswirkungen Asteroiden auf der Erde haben können, zeigt die Titelgeschichte der neuen Ausgabe von „Physik in unserer Zeit“.

Das Leben hier auf Erden, es ist gefährlich! Diese Binse kam mir auf dem Eugene-Shoemaker-Platz im mittelalterlichen Nördlingen auf der Ostalb in den Sinn. Dort steht das Rieskrater­museum. Nach dessen Besuch macht man sich seine Gedanken. Denn es wird gezeigt, dass die Erde seit Anbeginn einem kosmischen Prozess ausgesetzt ist, der immer noch eine zwar geringe, aber reale und durchaus existentielle Gefahr darstellt.

Abb.: Ulrich Köhler ist Geologe am Berliner DLR-Institut für...
Abb.: Ulrich Köhler ist Geologe am Berliner DLR-Institut für Planeten­forschung. (Bild: S. Pieth, DLR)

Nördlingen liegt im Zentrum einer geologischen Struktur, die vor 15 Millionen Jahren durch eine kosmische Kollision entstanden ist: Dem Zusammenstoß der fast dreizehntausend Kilometer messenden Erde mit einem anderthalb Kilometer großen Gesteinsbrösel. Der Goliath bekam bei seiner zügigen Runde um die Sonne ein Sandkorn ins Auge. Lästig, diese Asteroiden!

Doch die Auswirkungen – gewaltig! Die hohe Geschwindigkeit ließ den Krümel eine enorme Wirkung entfalten. Der kosmische Geisterfahrer riss mit bald 100.000 Stundenkilometern ein Loch in die Atmosphäre und knallte ungebremst in die idyllische miozäne Alb. Noch in hundert Kilometern waren Flora und Fauna sofort ausgelöscht, weil das Krümelchen am „Ground Zero“ 150 Kubikkilometer Gestein wegschleuderte. Es blieb ein 25 Kilometer großer Krater, der sich mit Wasser füllte. Das Leben kehrte zurück, der See verlandete; das Ries hat davon noch heute fruchtbare Böden.

Etliche Größenordnungen heftiger ist dies ein kleiner Weltuntergang. Ein solcher nahm auf der Halbinsel Yucatán seinen Ausgang. Dort haben Geologen die Umrisse eines 200 Kilometer großen Kraters und weltweit eine kleine Schicht von synchron abgelagertem, extra­terrestrischem Iridium entdeckt, Beweise für eine globale Katastrophe vor 66 Millionen Jahren. Sehr wahrscheinlich läutete der Chicxulub-Impakt das Ende der Saurier ein, mit dem Nebeneffekt, dass die Säugetiere die Situation nutzten, nun ihrerseits die Welt zu erobern. Am vorläufigen Ende dieser Entwicklung … schön für uns!

Die Erde wurde zwar genauso heftig bombardiert wie der kraterübersäte Mond. Doch hier wurden die Spuren immer wieder durch Erosion ausgelöscht. Es gibt heute nur etwa 200 Impakt­strukturen: Sie sind alle in dem wunderbaren, zweibändigen Werk Terrestrial Impact Structures: The TanDEM-X Atlas von Manfred Gottwald, Thomas Kenkmann und Uwe Reimold mit dem aktuellen Wissen vorgestellt. Atemraubend schön, die Spuren all dieser Katastrophen. Einen Eindruck vermitteln ausgewählte Bilder im Artikel der Drei ab S. 12 in der neuen „Physik in unserer Zeit“.

Der fast 300 Kilometer große, zwei Milliarden Jahre alte Vredefort-Krater in Südafrika ist eine der größten Strukturen. Im kleinen, jungen Barringer-Krater in Arizona und auch im Ries wurden in den frühen 1960ern Stishovit und Coesit gefunden, Ultra­hochdruck-Modifikationen von Quarz, die erst bei Drücken von mehreren Gigapascal entstehen: Nicht alles, was kraterförmig und rund ist, das war jetzt klar, ist ein Vulkan.

Seither nahmen die Impakt- und Asteroidenforschung und die Suche nach NEOs, den „Near-Earth Objects“, den Erdbahnkreuzern, einen steilen Aufschwung. Das ist gut, denn ein Wissen um die Bahnen und Eigenschaften der heute mehr als 20 000 bekannten NEOs ist unerlässlich, um im Fall der Fälle etwas unternehmen zu können. Am 24. November hob die NASA-Mission DART ab, der „Double Asteroid Redirection Test“. 2022 wird die Sonde einen 160 Meter großen Asteroidenmond rammen, um dessen Kurs einen Hauch zu verändern. Die ESA fliegt 2024 mit der Mission HERA hinterher, um zu messen, was dabei passiert ist.

Vielleicht können wir schon bald Asteroiden auf Kollisionskurs mit der Erde ablenken. Zum Glück gibt es zur Zeit keinen Crash-Kandidaten. Aber falls doch einer auftaucht? Dann steige ich auf den Daniel, den Kirchturm von St. Georg in Nördlingen, mit seiner einmaligen Aussicht auf Ries und Kraterrand. Erbaut aus Suevit, dem „Schwabenstein“ mit seinen schwarzen ‚Flädle“, Fragmenten, die im glutheißen Ries-Auswurf zusammen­geschweißt wurden. Denn zweimal auf die gleiche Stelle? Die Wahrscheinlichkeit ist doch nur eins zu …

Ulrich Köhler, DLR

 

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