16.03.2022 • Nanophysik

Neuartige Röntgenlinse erleichtert Blick in die Nanowelt

Achromatische Linse bündelt auch Röntgenstrahlen mit einer eine gewisse Bandbreite an Wellenlängen.

Scharfe Bilder in der Fotografie und in optischen Mikroskopen sind nur möglich dank achro­ma­tischer Linsen. Diese sorgen dafür, dass verschiedene Licht­farben – also Licht verschiedener Wellen­längen – den gleichen Fokuspunkt haben. Für Röntgenlicht gab es bislang keine achromatischen Linsen, sodass scharfe Röntgen­mikro­skopie nur mit Röntgenlicht einer Wellenlänge möglich war. Das bedeutet in der Praxis, dass aus dem Röntgenlicht alle anderen Wellen­längen zunächst heraus­gefiltert werden müssen, also nur ein kleiner Teil des Lichts effektiv genutzt werden kann und dadurch die Effizienz der Bild­aufnahme leidet.

Abb.: Raster­elek­tronen­mikro­sko­pische Auf­nahme der refrak­tiven...
Abb.: Raster­elek­tronen­mikro­sko­pische Auf­nahme der refrak­tiven Struktur, die gemein­sam mit einem diffrak­tiven Teil eine achro­ma­tische Röntgen­linse er­gibt. Sie ist knapp einen Milli­meter lang und wurde per 3D-Druck aus einem beson­deren Kunst­stoff her­ge­stellt. (Bild: U. Sanli, PSI)

Ein Team von Forschern am Paul-Scherrer-Institut in der Schweiz hat dieses Problem nun gelöst: Ihnen gelang die Entwicklung einer achromatischen Röntgenlinse. Profitieren wird davon unter anderem die industrielle Forschung und Entwicklung beispiels­weise von Mikrochips, Batterien und die Material­forschung. Denn mit Röntgenlicht lassen sich viel kleinere Strukturen abbilden als mit sichtbarem Licht.

Dass erst jetzt eine achromatische Linse für Röntgenlicht entwickelt werden konnte, mag zunächst erstaunen. Denn achromatische Linsen für sichtbares Licht gibt es bereits seit über zweihundert Jahren. Diese sind üblicher­weise aus zwei Materialien zusammen­gesetzt. Das Licht gelangt erst durch das eine Material und spaltet sich dabei in seine Spektral­farben auf. Danach wird es durch ein zweites Material geführt, das diesen Effekt wieder umkehrt.

„Dieses einfache Prinzip, das im sichtbaren Bereich angewandt wird, funktioniert aber im Röntgen­bereich nicht“, erklärt Christian David, Leiter der Forschungs­gruppe für Röntgenoptik und Anwendungen am Labor für Mikro- und Nano­techno­logie des PSI. „Für Röntgenlicht existieren keine Materialien, die sich in den optischen Eigen­schaften über breite Wellenlängenbereiche so stark unter­scheiden, dass das eine Material den Effekt des anderen wieder aufheben könnte. Man könnte auch sagen: Im Röntgen­bereich ist die Dispersion der Materialien zu ähnlich.“

Statt die Lösung also in der Kombination zweier Materialien zu suchen, kombinierten die Forscher zwei verschiedene optische Prinzipien. „Der Clou war, zu erkennen, dass wir unserer diffraktiven Linse eine zweite Linse voranstellen können, die eine refraktive Wirkung hat“, so Adam Kubec, der bis vor Kurzem Forscher in der Gruppe von David war und jetzt Mitarbeiter von XRnanotech ist, einem Spin-off, das aus der Röntgenoptik-Forschung des PSI hervorgegangen ist.

Für die Herstellung von diffraktiven Linsen nutzt die Forschungs­gruppe um David etablierte Verfahren der Nano­litho­grafie. Doch für den zweiten Teil der achromatischen Linse, die refraktive Struktur, war eine neue Methode nötig, die erst seit Kurzem verfügbar ist: 3D-Druck im Mikro­meter­bereich. Die neu entwickelte Linse ermöglicht den Sprung von der Forschungs­anwendung zu einer Röntgen­mikro­skopie im kommer­ziellen Einsatz, beispiels­weise in der Industrie.

„Synchrotronquellen erzeugen Röntgenlicht von so hoher Intensität, dass man es sich leisten kann, alle Wellenlängen bis auf eine aus dem Strahl heraus­zu­filtern: Es bleibt trotzdem noch genug Licht, um ein Bild zu machen“, so Kubec. Doch Synchrotrons sind Groß­forschungs­anlagen. Bislang erhalten Mitarbeiter aus der industriellen Forschung und Entwicklung zwar Strahlzeit an Forschungs-Synchrotrons. Doch diese Strahlzeit ist rar, kostbar und braucht eine langfristige Planung.

„Die Industrie wünscht sich in ihren Entwicklungs­prozessen eine schnellere Antwortzeit“, sagt Kubec. „Unsere achromatische Röntgenlinse wird dabei enorm helfen: Sie wird kompakte Röntgen­mikro­skopie ermöglichen, die Industrie­unternehmen auf ihrem eigenen Areal betreiben können.“ Gemeinsam mit XRnanotech plant das PSI, die neue Linse zu vermarkten. Entsprechenden Kontakt zu Firmen, die Röntgen­mikro­skope im Labor­maßstab bauen, hätten sie bereits, bestätigt Kubec.

Um ihre achromatische Röntgenlinse zu charakte­ri­sieren, nutzten die Forscher eine Röntgen­strahl­linie an der Synchrotron-Lichtquelle Schweiz. Dort wird unter anderem eine hoch entwickelte Röntgen­mikro­skopie­methode namens Ptychografie genutzt. „Normaler­weise wird damit eine unbekannte Probe untersucht“, sagt Marie-Christine Zdora vom PSI. „Wir dagegen haben die Ptychografie genutzt, um den Röntgenstrahl und somit unsere achromatische Linse zu charakte­ri­sieren.“ So konnten die Forscher genau ermitteln, wo sich der Fokus der Röntgen­strahlen bei verschiedenen Wellen­längen befand.

Zusätzlich testeten sie die neue Linse mit einer Methode, bei der die Probe in kleinen Raster­schritten durch den Fokus des Röntgenstrahls bewegt wird. Ändert man die Wellenlänge der Röntgenstrahlen, erscheinen die Bilder mit einer konven­tionellen Röntgenlinse stark verschwommen, nicht jedoch mit der neuen achromatischen Linse. „Als wir dann über einen breiten Bereich an Wellenlängen ein scharfes Bild der Testprobe erhielten, wussten wir, dass unsere Linse funktioniert“, freut sich Zdora.

PSI / RK

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