02.05.2022

Natürliche Schwankungen im Golfstrom

Untersuchungen weisen auf eine beginnende Verlangsamung der Strömung hin.

Kieler Forschende tragen erneut zum Verständnis der Veränderungen in der Atlan­tischen Meri­dionalen Umwälz­zirkulation bei – bekannt als Golfstrom­system. Sie ist für das globale Klima ebenso wichtig wie für das Klimageschehen in Europa. Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht die Frage, ob der menschen­gemachte Klimawandel die ozeanische Umwälz­bewegung bereits verlangsamt. Einer neuen Studie zufolge dominieren noch immer die natürlichen Schwankungen. Verbesserte Beobachtungs­systeme könnten helfen, den menschlichen Einfluss auf das Strömungs­system frühzeitig zu erkennen.

Abb.: Die Atlantische Meridional­zirkulation: Warme, oberflächen­nahe...
Abb.: Die Atlantische Meridional­zirkulation: Warme, oberflächen­nahe Strömungen sind in rot dargestellt, kalte Tiefen­strömungen in blau. (Bild: C. Böning & M. Scheinert, Geomar)

Verlangsamt sich die Atlantische Meridionale Umwälz­zirkulation (Atlantic Meri­dional Overturning Circulation, AMOC)? Kommt dieses für unser Klima so wichtige System von Meeres­strömungen womöglich zukünftig zum Erliegen? Sind die beobachteten Schwankungen natürlichen Ursprungs oder bereits eine Folge des menschen­gemachten Klimawandels? Mit verschiedensten Methoden versuchen Forschende unter­schiedlicher wissenschaftlicher Fachrichtungen, die gigantische ozeanische Umwälz­bewegung besser zu verstehen. „Die AMOC sorgt für mildes Klima in Europa und bestimmt jahreszeitliche Regenmuster in vielen Ländern rund um den Atlantik. Wenn sie sich langfristig abschwächt, wirkt sich dies auch auf unser Wetter und Klima aus. Außerdem könnten die Meeresspiegel an einigen Küsten schneller steigen und sich die Fähigkeit des Ozeans verringern, Kohlendioxid aufzunehmen und den Klimawandel abzumildern“, erklärt Mojib Latif, Leiter der Forschungseinheit Maritime Meteorologie am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozean­forschung Kiel.

„Wir hängen in vielerlei Weise von der AMOC ab – und können trotzdem bisher nur erahnen, wie sie sich entwickelt, und ob und wie stark wir Menschen selbst sie einem Kipp-Punkt entgegentreiben, an dem ein unaufhalt­barer Kollaps seinen Lauf nimmt“, sagt Latif. Mittels Auswertungen von Beobachtungs­daten, statistischen Analysen und Modell­rechnungen hat sein Team daher Veränderungen der vergangenen gut einhundert Jahre in dem Strömungs­system genauer untersucht. Demnach kühlt sich ein Teil des Nordatlantiks ab – ein markanter Gegensatz zu den allermeisten Meeres­regionen. Die Auswertungen deuten darauf hin, dass seit Anfang des 20. Jahrhunderts in erster Linie natürliche Schwankungen für diese Abkühlung verantwortlich sind. Gleichwohl weisen die Untersuchungen auf eine beginnende Verlang­samung der AMOC in den vergangenen Jahrzehnten hin.

Klimamodelle sagen übereinstimmend für die Zukunft eine deutliche Verlangsamung des Strömungs­systems voraus, wenn unsere Kohlendioxid-Emissionen weiter steigen, sich der Ozean weiter erwärmt und sich das Schmelzen des Grönlandeises beschleunigt. „Unsere Ergebnisse bestätigen frühere wissen­schaftliche Erkennt­nisse. Aber es bleibt die Frage, wie lange wir uns noch im Bereich natürlicher Schwankungen befinden und wann der Klimawandel die Kontrolle über die AMOC übernimmt. Dann verliefe die Entwicklung nur noch in Richtung Abschwächung und Risiken könnten deutlich zunehmen“, betont Jing Sun, Meteoro­login am Geomar.

Um die kritische Grenze zu bestimmen, sind bessere Beobachtungs­daten nötig, folgern die Forschenden. „Wenn wir die bereits statt­findenden Veränderungen in allen Regionen des Atlantiks systematisch und dauerhaft messen, werden wir auch mit größerer Sicherheit sagen können, welchen Einfluss der Klimawandel auf das Strömungs­system der AMOC heute und in der Zukunft hat“, sagt Martin Visbeck, Leiter der Forschungs­einheit Physikalische Ozeano­graphie am Geomar. „Wir sehen im Moment keine sicheren Anzeichen dafür, dass das System sich dramatisch verlangsamt – sondern es schwankt. Aber da sich die neuesten Klima­modelle einig sind, dass eine deutliche Reduzierung eintreten wird, sollten wir wissen, wie lange wir uns noch auf der relativ sicheren Seite natürlicher Verän­derungen befinden.“

Geomar / JOL

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