23.01.2023

Nano-Beschichtung reduziert Reflexionen

Neues Polymer verhindert das Beschlagen einer optischen Oberfläche.

Optiken, die nicht beschlagen und kaum reflektieren – das ist künftig dank eines neuen optischen Beschichtungs­systems möglich. Die von Forschenden des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF entwickelte Techno­logie soll dazu beitragen, die Leistung von Lidar-Systemen und Kameras etwa in autonom fahrenden Autos zu verbessern. 

 

Abb.: Beschlags­minderndes und antireflek­tierendes Beschichtuns­system zur...
Abb.: Beschlags­minderndes und antireflek­tierendes Beschichtuns­system zur Verbesserung von beispiels­weise Lidar-Systemen. (Bild: Fh.-IOF)

„Wenn man von der Kälte in einen warmen Raum kommt, kann die Brille beschlagen und somit die Sicht des Brillenträgers stark einschränken“, sagt Anne Gärtner. „Das Gleiche kann auch bei Sensoren wie den Lidar-Systemen in autonom fahrenden Autos passieren. Hier ist es wichtig, dass die Oberflächen auch bei Beschlag hoch­transparent bleiben, damit die Funk­tionalität erhalten bleibt.“ Gärtner und ihr Team haben daher ein neuartiges optisches Schichtsystem entwickelt, welches genau das verhindern soll. Dazu kombinierten sie eine Polymer­beschichtung mit porösen Silizium­dioxid-Nano­strukturen. Die Polymerbeschichtung verhindert dabei das Beschlagen, während die Nanostrukturen gleichzeitig Reflexionen verringern. Obwohl die in der Arbeit beschriebenen Beschichtungen speziell für Lidar-Systeme entwickelt wurden, kann die Technologie für viele verschiedene Anwen­dungen maßge­schneidert werden. 

Das neuartige Schicht­system beruht auf der AR-plas2 Technologie und wurde im Rahmen der Zusammenarbeit mit Leica Geosystems aus Heerbrugg in der Schweiz auf deren Anforderungen hin angepasst. Leica Geosystems entwickelt luft­gestützte Lidar-Messsysteme, die für die Gelände- und Städte­kartierung eingesetzt werden. Bei extremen Temperatur­unterschieden zwischen der Umgebung und dem Messsystem kann es zum Beschlagen der optischen Oberflächen kommen, was zu einer Beein­trächtigung der Funktionalität führen würde. Um dies zu verhindern, entwickelte Gärtners Team daraufhin mit dem Partner eine Lösung, die sowohl das Beschlagen als auch unerwünschte Licht­reflexionen in den Griff bekam.

„Wir haben ein Polymer verwendet, das das Beschlagen einer optischen Oberfläche verhindert, indem es als Wasser­speicher dient“, erklärt Gärtner. „Die Unterschiede in den Brechungsindizes des Polymer­materials und der umgebenden Luft führen jedoch zu uner­wünschten Reflexionen und Geisterlicht im optischen System. Um diese Reflexionen zu verhindern, haben wir die Anti­beschlag-Schicht mit sehr kleinen Strukturen – bis zu 320 Nanometer hoch – kombiniert, um eine Antireflex­wirkung bei gleichzeitiger Wasserdurch­lässigkeit zu erreichen.“ Mit der AR-plas2-Technologie lassen sich mehrere Nano­strukturen übereinander erzeugen. Dabei wird eine Nanostruktur in die Antibeschlag-Schicht geätzt und anschließend eine zweite Nanostruktur darüber hergestellt. Mit dieser Technologie ist es möglich, die Brechungs­indizes der Nano­strukturen anzupassen und das Design der doppelten Nanostruktur so zu gestalten, dass eine sehr geringe Reflexion über einen breiten Spektral­bereich erreicht wird.

Die Forschenden testeten die Anti­reflexions- und Antibeschlag­wirkung ihres Beschichtungs­systems anhand von Reflexionsmessungen mit einem Spektralphotometer und Beschlagmessungen. Diese wurden durchgeführt, nachdem die entspiegelte und beschlag­freie Seite der Optik über erhitztes Wasser gehalten wurde. Die Labortests zeigten, dass das Mehrschicht­system eine sehr geringe Reflexion über einen breiten Spektralbereich aufweist. Mit einer einzelnen Nanostruktur wäre dies nicht möglich. Darüber hinaus beeinträchtigten die Nano­strukturen die Wirkung der darunter liegenden Antibeschlag-Schicht nicht. Aufgrund der berührungs­empfindlichen Beschaffenheit der Oberfläche ist diese Form von Schichtsystem besonders für innenliegende Flächen geeignet.

Die AR-plas2-Techno­logie kann auf fast allen Arten von Materialien angewendet werden: auf Polymere, aber auch auf Glas oder Fluorid­kristalle. Sie ist daher breit einsetzbar, etwa für Optiken in der Beleuchtung, im Automobil- und Konsumgüter­bereich, aber auch für Zukunftstechnologien wie dem Quanten­computer. Hier entwickeln die Forschenden im Rahmen des Projektes „Qzell“ bereits Systeme aus optischen Schichten und Nanostrukturen für Experimente zur Entwicklung eines Quantencomputers. „Optische Systeme werden immer komplexer und damit steigen auch die Anforderungen an die Bildqualität“, sagt Gärtner. „Mit Nano­strukturen lassen sich Antireflex­eigenschaften mit beein­druckenden Ergebnissen erzielen, die mit herkömm­lichen Beschichtungen oft nicht realisierbar sind. Mit dem grundlegenden Verständnis, das wir in den letzten Jahren gewonnen haben, sind wir zuversichtlich, dass wir nano­strukturierte Beschichtungen in viele reale Anwendungen bringen können.“

Fh.-IOF / JOL

Weitere Infos

EnergyViews

EnergyViews
Dossier

EnergyViews

Die neuesten Meldungen zu Energieforschung und -technologie von pro-physik.de und Physik in unserer Zeit.

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

Meist gelesen

Themen